: Kriminalitäts-Standort in Gefahr
Die Zahl der registrierten Straftaten in Hamburg ist auf den niedrigsten Stand seit 1981 gesunken.Anstiege gab es nur bei Sexual- und Drogendelikten sowie bei Enkeltricks. FDP verweist auf Dunkelfeld
Das vierte Jahr in Folge ist die Zahl der registrierten Straftaten in Hamburg gesunken. Im Jahr 2019 seien 210.832 Delikte gezählt worden, 7.762 Fälle oder 3,6 Prozent weniger als im Vorjahr, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Freitag. Das sei der niedrigste Stand seit 1981. Zugleich verbesserte sich die Aufklärungsquote im vergangenen Jahr von 45,8 auf 46,7 Prozent. Das Risiko, in Hamburg Opfer einer Straftat zu werden, sei statistisch so gering wie seit 1979 nicht mehr.
Innensenator Andy Grote (SPD) hob besonders die Entwicklung bei den Wohnungseinbrüchen hervor. Deren Zahl habe sich innerhalb von vier Jahren halbiert und liege mit 4.313 Fällen auf dem niedrigsten Stand seit 1974. Allerdings sank auch die Aufklärungsquote in diesem Bereich von 8,5 auf 7,8 Prozent. Zudem schützen sich die Hamburger offenbar besser. Bei fast jedem zweiten Einbruch gaben die Täter auf. Rückgänge verzeichnete die Polizei auch bei Fahrrad- und Autodiebstählen sowie bei der Gewaltkriminalität. Anstiege gab es bei Sexual- und Drogendelikten sowie bei Enkeltrickbetrügereien.
Die Polizei zählte im vergangenen Jahr 46 vorsätzliche Tötungsdelikte in Hamburg, 13 Taten wurden vollendet, in den übrigen 33 Fällen blieb es beim Versuch. Im Jahr davor waren 59 Mord- und Totschlagsdelikte in die Statistik aufgenommen worden, davon 20 vollendete Taten. In gut zwei Drittel der Taten kannten sich Täter und Opfer.
Der Jahresvergleich ist jedoch wenig aussagekräftig. Die Polizei erfasst nach Angaben einer Sprecherin nur aufgeklärte Taten oder Delikte, die trotz umfangreicher Ermittlungen nicht aufgeklärt werden konnten. Es kommt also vor, dass eine Tat aus dem Jahr 2019 erst in einer späteren Statistik auftaucht.
Erstmals zählte die Hamburger Polizei in einer gesonderten Rubrik die Messerstraftaten, und zwar 1.191. 857 Mal wurde mit einem Messer gedroht, 334 Mal zugestochen. Einen direkten Vergleichswert gibt es noch nicht. Straftaten auf Bahnhöfen und dem Flugplatz werden nicht von der Hamburger, sondern von der Bundespolizei erfasst.
Den Anstieg bei den Sexualstraftaten von 6,9 Prozent auf 1.776 Delikte sei vor allem auf die Verbreitung verbotener pornografischer Schriften zurückzuführen, sagte der neue Leiter des Landeskriminalamts, Mirko Streiber. Immer häufiger würden Fälle bekannt, bei denen Schüler im Klassenchat kinderpornografische Videos herumschickten. Bei den schweren Sexualdelikten wurden 873 Fälle gezählt, das waren 16 Taten (0,9 Prozent) mehr als 2018. Die Polizei erfasste 223 Fälle von Exhibitionismus, 12,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter äußerte Zweifel an der Seriosität der Statistik: „Die Spielregeln der PKS (polizeiliche Kriminalstatistik) werden von denjenigen immer wieder angepasst und verändert, die sie veröffentlichen – der Politik.“ So werde ein Betrug im Internet nur dann mitgezählt, wenn der Tatort bekannt sei, erklärte der Landesverband des Kriminalbeamtenbundes.
Auch die FDP-Bürgerschaftsfraktion machte auf das Dunkelfeld nicht erfasster Straftaten aufmerksam. „Als besonders dramatisch erachten wir die explosionsartig angestiegenen Betrugsdelikte“, erklärte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Carl Jarchow. (dpa)
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