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Archiv-Artikel

Amor kriegt neue Pfeile

Es gibt viele sagenhafte Bilder im Clemens-Sels-Museum in Neuss. In den Ferien entdecken Kinder mit Lisa Maubach Kunstwerke, die ihnen Märchen, Legenden, Sagen und Geschichten erzählen

AUS NEUSSLUTZ DEBUS

Barocke Gesichter in schweren goldenen Rahmen lächeln von Betonwänden. Zwischen zwei Bronzeskulpturen lümmeln sich neun Kinder auf dem Teppichboden. Mit ihnen im Kreis sitzt Lisa Maubach. Die studierte Volkskundlerin erklärt den 6- bis 10-jährigen die musealen Regeln. Nicht laut sein, weil Erwachsene, die es im Museum auch mal gibt, nicht gleichzeitig sehen und hören können. Nicht rennen, damit niemand eine Skulptur umwirft. „Wenn mir der Teufel da auf den Kopf fällt, hab ich bestimmt `ne Beule“, pflichtet der 7-jährige Tobias bei. Und die Bilder dürfen nicht angefasst werden. „Sind die noch nicht trocken?“ fragt erstaunt Maria mit den zwei blonden Zöpfen. Lisa Maubach erzählt, dass die Bilder schon ganz alt sind. Älter sogar als der Opa vom Opa vom Opa. Aber an jeder Hand, selbst wenn man sie gerade gewaschen hat, ist ein bisschen Fett und Schweiß. Und das mache die Bilder kaputt. Dann kommt die pädagogische Mitarbeiterin des Clemens-Sels-Museums in Neuss zum Thema ihrer Ferien-Führung für Kinder: „Sagenhafte Bilder - Kunstwerke, die Märchen, Legenden, Sagen und Geschichten erzählen“.

Ob jemand weiß, was „sagenhaft“ bedeute: „Toll!“ und „Klasse!“ ruft es durcheinander. Die ansonsten stille Hannah ergänzt: „Das hat etwas mit Phantasie zu tun. Sagen sind Märchen.“ Lisa Maubach erzählt von einem Mädchen, dass mit ihrem Vater campen war: Mitten in der Nacht hören beide ein Fauchen. Schnell hat der Vater vor dem Zelt ein Kätzchen verjagt. Das Mädchen erzählt die Geschichte später ihrer Freundin. Aus dem Kätzchen wird ein wildes Tier. Die Freundin erzählt die Geschichte einem anderen Mädchen. Aus dem wilden Tier wird ein Monster. „Durch Weitersagen entstehen Sagen“, erklärt Lisa Maubach und erzählt mit flüsternder Stimme dann von dem griechischen Liebesgott. Eros, oder auch Cupido genannt, schießt mit seinen Liebespfeilen. Wer von ihm getroffen wird, verliebt sich sofort. Mit Pfeilen durchbohrte Herzen kennt jeder der jungen Museumsbesucher. „Ich war auch schon mal verknallt!“ ruft die 8-jährige Sarah. „Psssst!“ Die Kinder denken an Regel Eins.

Lisa Maubach flüstert weiter. Es gebe hier im Museum ein Bild von Cupido. Darauf werde gezeigt, wie die Jagdgöttin Diana ihm seine Pfeile stiehlt. Ob jemand dieses Bild finden könne? Die Kinder rennen los. Keine Skulptur kommt zu Fall. Schnell ist das Bild von Walter Crane von 1862 entdeckt. Warum, fragen sich die Kinder, mache das die Frau? „Weil Pfeile für kleine Kinder zu gefährlich sind.“ „Vielleicht tauscht sie die Spitzen gegen Gummipfropfen aus.“

Ein paar Meter weiter findet die Besuchergruppe ein ganz anderes Bild. Auf den ersten Blick nur bunte Farbflecken. „Der Wagen des Apoll“, liest Sarah auf dem kleinen Schild daneben. Lisa Maubach zeigt den Kindern die golden leuchtende Kutsche, die vier Pferde, den Pfeil, der die Schlange trifft. Das abstrakte Bild von Odilon Redon aus dem Jahr 1905 bekommt Konturen. „Durch das Undeutliche wirkt das Bild geheimnisvoll“, erklärt Tobias. Das rote Knäuel sei ein Drache oder eine Python, etwas Bedrohliches, berichtet Lisa Maubach. „Kennst du „Alarm für Cobra 11?“, will Tobias wissen.

Zum Ende der Führung verwandeln sich die Besucher selbst in Künstler. Mit Wachsmalkreide malen sie ihre eigenen sagenhaften Bilder. Hannah malt eine Meerjungfrau auf einem Stein. Tobias hat sich von einer blutig dargestellten Seeschlacht inspirieren lassen. Auf seinem Bild kentert ein Schiff. Die Passagiere werden von Hubschraubern und U-Booten gerettet. Beim Ausgang sind die Kinder in ihrer Gegenwart wieder angekommen und erzählen sich die aktuellen Abenteuer des arg surrealen Super-RTL-Zeichentrickhelden Sponge Bob‘s Schwammkopf.