Populismus in Ungarn: Orbáns Kreuzzug
Auch das noch: Ungarns Ministerpräsident will mit einer neuen Volksbefragung die Justiz zurechtbiegen.
D a glaube mal einer, Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orbán verstünde nichts von seinem Job. Von wegen. Der Mann hat sein Ohr am Volk. Schon im kommenden Monat sollen sich die UngarInnen zu angeblichen Grenzüberschreitungen der Justiz äußern dürfen. Dass derartige Befragungen, die Orbán regelmäßig aus dem Hut zieht, keine juristischen Konsequenzen haben und bei der Auswertung von Transparenz keine Rede sein kann – Schwamm drüber.
Diesmal will sich die Regierung an Strafgefangenen und Roma (mal wieder) abarbeiten. Wo käme man auch hin, sollte Gefängnisinsassen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Strafe verbüßen, dafür eine Entschädigung vom Staat erhalten. Frei nach dem Motto: Im Knast und noch privilegiert? Und dann die Roma. Die sollten doch froh sein, überhaupt eine Schule besuchen zu dürfen – wenn auch fein säuberlich getrennt von den „echten“ UngarInnen. Doch anstatt endlich mal zu arbeiten, ziehen die, in Orbáns Augen Sozialschmarotzer, auch noch vor Gericht und erstreiten ein Schmerzensgeld.
Hinter all diesen Fehlentwicklungen steht, wie könnte es anders sein, der US-Milliardär Georges Soros – Hassobjekt par exellance von Orbán und seiner Regierungspartei Fidesz. Soros, dessen Universität (CEU) erfolgreich aus dem Land gegrault wurde, begnügt sich Orbán zufolge offensichtlich nicht mehr damit, das arme Ungarn mit MigrantInnen und Geflüchteten zu fluten. Jetzt hat er offensichtlich auch noch bei nationalen Gerichten seine Finger im Spiel und bringt über dubiose Netzwerke Prozesse auf den Weg.
Orbáns jüngstes Ansinnen, die Justiz weiter auf Linie zu bringen, dürfte auch Brüssel wieder einiges Kopfzerbrechen bereiten. Bisher hatten Budapests Versuche, Rechtsstaat und Demokratie zu demontieren, außer Ankündigungen keine Folgen. Die Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens nach Artikel sieben hängt im EU-Ministerrat fest – dem Einstimmigkeitsprinzip und Polen sei Dank. Apropos EU: Vielleicht sollte Orbán mal eine Volksbefragung über die absurde Verschleuderung von EU-Geldern auf die Tagesordnung setzen. Dazu hätten seine Landsleute, man denke nur an den Bau einer Eisenbahn in Orbáns Heimatdorf Felcsút, wohl einiges zu sagen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen