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Archiv-Artikel

„Die WASG hat mehr Aktivisten als die PDS“

Ein Ende des Streits zwischen der Wahlalternative und der PDS ist noch in weiter Ferne, sagt der Parteienforscher Gero Neugebauer. Während die WASGler zu chaotisch sind, halten sich die Genossen stur an Vorgaben der Parteispitze

taz: Herr Neugebauer, die PDS will der WASG keinen Fußbreit auf ihrer Landesliste für die Bundestagswahl überlassen. Sind diese Streitigkeiten nur Wahlkampf oder wird der Zoff bleiben?

Gero Neugebauer: Das hängt auch davon ab, wie sich die WASG entwickelt. Denn die Wahlalternative zerfällt in mindestens zwei Teile. Zum einen gibt es die Anhänger der Volksentscheid-Kampagne gegen den rot-roten Senat im vergangenen Jahr. Sie wollen eher nichts mit der PDS zu tun haben. Auf der anderen Seite gibt es jene, die der Linkspartei eine Chance geben wollen. Solange die beiden Strömungen ihr Verhältnis nicht geklärt haben, tritt die WASG auch nicht einheitlich gegenüber den Genossen auf.

Mit typisch linker Sektiererei lässt sich der Konflikt also nicht erklären?

Sektencharakter haben höchstens einige Teile der Berliner WASG. Solche Leute nämlich, die von Parteistrukturen keine Ahnung haben oder nicht bereit sind, in solchen Strukturen zu denken. Andere WASGler wollen eine Partei von unten organisieren und programmatische Debatten führen. Aber sie kommen wegen interner Streitigkeiten und persönlichen Animositäten überhaupt nicht dazu.

Verprellen solche Ungereimtheiten nicht potenzielle WASG-Wähler, insbesondere in Westberlin?

Die Unbestimmtheit wird viele abschrecken. Gesichter und WASG-eindeutige Programmaussagen suchen Westberliner Wähler im Angebot der PDS bislang zumindest vergeblich. Sie könnten zum Schluss kommen: Dann bleibe ich eben zu Hause oder wähle die Grünen.

Warum hört man keine Stimmen aus der PDS-Basis, die nach mehr Kooperation mit der WASG rufen?

Die Umformung der PDS in Die Linkspartei hat einen interessanten Nebeneffekt: Der demokratische Zentralismus alter Prägung hat fröhliche Urständ gefeiert. Wenn die Bundesebene etwas beschließt, dann folgt die Parteibasis. Einerseits aus Parteiräson, aber auch, weil sie hofft, mit der WASG gemeinsam endlich einer gesamtdeutschen Linken Leben einzuhauchen. Mit Parteiräson lässt sich auch erklären, dass der Parteichef Lothar Bisky dem Berliner Landesverband den umstrittenen Kandidaten Hakki Keskin aus Hamburg aufdrücken kann. Der Berliner PDS-Chef Stefan Liebich kann argumentieren: Wir nehmen besser den von der Bundespartei abgesegneten Kandidaten, als uns mit störrischen WASGlern herumzuschlagen.

Der Spagat zwischen Linkspartei und WASG – Zusammenarbeit im Bund, Streit im Land – entfällt also nicht nach der Bundestagswahl?

Das bleibt ein strukturelles Problem. Anders als andere Landesverbände will die hiesige WASG bislang ja selbstständig bleiben und 2006 allein in den Abgeordnetenhauswahlkampf gehen. Damit und mit der Fusion kommen etliche Diskussionen auf die WASG-Verbände zu. Daran beteiligt sind SED-geschulte Leute ebenso wie westliche Altlinke. Die Alternative Liste zu Beginn der 80er-Jahre war fast ein Kindergarten dagegen.

Trotz aller Widersprüche wächst die Berliner WASG. Zugleich sterben der PDS jährlich hunderte Mitglieder weg. Sind die beiden Parteien in einigen Jahren gleich stark?

Das ist durchaus möglich. Derzeit erhält die WASG Zulauf von Leuten, die keine Parteierfahrung haben, aber bereit sind, parteipolitisch zu arbeiten. Nun kommt es darauf an, die Neulinge nicht durch ermüdende Diskussionen in den Kreisverbänden vor den Kopf zu stoßen. Schon jetzt hat die kleine WASG mehr Aktivisten als die große, aber überalterte PDS. Doch solange die PDS die WASG noch vorführen kann, tut sie das auch.

INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE