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Archiv-Artikel

Das Prinzip Hoffnung

Die WASG übt sich in Autosuggestion: Gegen den Widerstand der PDS will sie einen vorderen Platz auf deren Landesliste herbeireden. Zudem fordert sie das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg

VON MATTHIAS LOHRE

Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Wer gesteht sich schon gern ein, dass alle Versuche, mit den eigenen politischen Anliegen und KandidatInnen beim störrischen Bündnispartner durchzudringen, gescheitert sind? Doch um diese schmerzliche Einsicht wird die WASG am Wochenende nicht herumkommen, wenn die Delegierten der PDS-Vertreterversammlung abstimmen. Denn dort werden sich wohl nur wenige Hände für einen WASG-Kandidaten heben (siehe Interview unten). Bis dahin hoffen die knapp 600 Berliner Mitglieder der Wahlalternative weiter.

Gegen das Votum des PDS-Vorstands beharrte die WASG gestern auf einen eigenen Kandidaten auf einem der aussichtsreichen PDS-Listenplätze 1 bis 6. Zudem verlangt sie die Nominierung des türkischstämmigen Gewerkschafters Hakan Doganay im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg. Die PDS-Führung gesteht der ungeliebten WASG nur den aussichtslosen Listenplatz 7 zu.

Beim Listen-Streit kommt der Wahlalternative immerhin das Tauziehen um den umstrittenen Kandidaten Hakki Keskin gelegen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, der keiner Partei angehört, soll nach dem Wunsch von PDS-Bundes- und -Landesvorstand Platz 4 besetzen. Die WASG kritisiert Keskin jedoch scharf. Dieser sei „kein Vertreter der Migrantinnen und Migranten“, sagte Rouzbeh Taheri vom WASG-Landesvorstand. Zudem sei er „staatstreu“ gegenüber der türkischen Regierung, die bis heute den Völkermord an den Armeniern verharmlose.

Die WASG macht sich damit Mut: „Wir wissen, dass Herr Keskin in der PDS nicht unumstritten ist“, sagte Taheri. „Auf Platz 4 bis 6 rechnen wir uns deshalb durchaus Chancen aus.“ Es sind geringe Chancen. Die auf Listenplatz 4 kandidierende WASGlerin Renate Herranen hofft auf die Unterstützung der Reinickendorfer PDS. Doch hat die Mehrheit der hiesigen Genossen nicht vergessen, dass Herranen ihr auf der PDS-Liste errungenes BVV-Mandat in Reinickendorf nach ihrem Parteiaustritt vor zwei Jahren behalten hat.

Der von der PDS für Listenplatz 7 vorgesehene WASG-Kandidat Ralf Krämer versucht, die Wogen zu glätten. Die Genossen sollten angesichts der Bundestagswahl die Probleme auf Landesebene außen vor lassen. Die Fehde zwischen den beiden Parteien wird jedoch auch nach der Wahl schwelen. Die Bundestagswahl „ist kein Persilschein“ für eine spätere Zusammenarbeit, sagt Herranen trotzig. Es könnte eine paradoxe Situation entstehen: Während im Bund eine gemeinsame Linkspartei erwächst, bekämpfen in Berlin WASG und PDS einander im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf 2006.