piwik no script img

Der heilige Helmut

Hamburg bald katholisch oder die Wiege einer neuen Kirche

Der Kult um Helmut Schmidt nimmt den Status einer eigenen Religion an. Die wird bis 2050 Staatskirche

Noch ist unklar, ob Hamburg katholisch wird. Aber eher nimmt der Kult um Helmut Schmidt den Status einer eigenen Religion an. Die wird sich bis 2050 als Staatskirche institutionalisiert haben, während die Idee der Sozialdemokratie nur noch Archäologen zugänglich ist. Was uns da sicher macht? Der kommende Mittwoch.

Da wird, im Jahr 100 nach seiner Geburt, erneut die Legende vom Nothelfer vorgetragen. Es ist sicher der Gipfel der Veranstaltungsreihe, deren Titel in kluger Vorwegnahme den im Deutschen bislang ungöttlichen Wochentag ihrem heiligmäßigen Helden als „Schmidtwoch“ weiht: „Helmut Schmidt und die Sturmflut“ heißt die aktuelle Folge und die Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung hat zu ihr im Helmut-Schmidt-Tempel im Kattrepel 10 geladen.

Es wird eine würdige Feier: Der ehemalige Polizist Jürgen Heinemann wird Zeugnis ablegen davon, wie es sich am 17. Februar 1962 begab, dass Schmidt persönlich die Wassermassen an jenem 17. Februar heranrollen sah, sie auf sich nahm und in die Schranken wies. Dieses früheste Narrativ des Schmidtkultus wurde schon damals, als er noch hinieden unter uns wandelte, mündlich weitergegeben. Seit seiner Entrückung vor fünf Jahren ist es zum Herzstück des Codex barmbekensis avanciert. Es ist das Fundament des künftigen Kanons.

Neben Apostel Heinemann zelebrieren Novize Andy Grote, Evangelist Meyk Woyke und Doctor Mirabilis Felix Mauch das Hochamt: Keine Frauen, denn, wie in jeder guten Kirche ist die Lehre zunächst nur Männern vorbehalten, alt und weiß, während das schwache Geschlecht Ikonografie, Schmuck und Beiwerk besorgen und die Vertonung übernehmen darf, denn längst ja will das Volk eine Melodie haben: Der jubilatorische Vers „Helmut Schmidt geschickt von Gott, Rette uns aus aller Noth!“ will gesungen, ja geschmettert werden. Mit Inbrunst.

Benno Schirrmeister

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen