: Vor Glück ganz nah am Verblöden
Thermoboy FK bringen Jane Austens Roman „Stolz und Vorurteil“ mit lauter Jungs in die Schwankhalle
Von Jan-Paul Koopmann
Die Gewalt der ganzen Geschichte kommt nicht vor, oder nur ganz kurz, in der Sorge des Pfarrers, man könne Hunde auf ihn hetzen, aus deren Mäulern wilde Bienen flögen, um ihn zu stechen. Ansonsten ist Friede, Freude, Eierkuchen angesagt in diesen letzten Jahren des alten Adels am Anfang des 19. Jahrhunderts. Bevor dann bald das grässliche Bürgertum kommt und Schluss macht mit wenigstens diesem kleinen Hauch von Freiheit (auf dem Rücken weiter Teile der kolonialisierten Welt, versteht sich). „Stolz und Vorteil“ steht in der Schwankhalle auf dem Programm, in der sehr freien Fassung des supersüßen Jungskollektivs Thermoboy FK.
Und natürlich ist es angesichts der gerade hart ausgefochtenen Repräsentationsdebatte schon ausgesprochen frech, ausgerechnet diesen Stoff in rein männlicher Besetzung zu spielen: Jane Austens Roman über damals noch sehr zarte Versuche von Frauen, selbstbestimmt zu leben. „Dann feiern wir unsere Unabhängigkeit mit einer Doppelhochzeit“ ist zum Beispiel so ein Satz, über den man wirklich lachen kann. Hier ist überhaupt alles sehr lustig. Weil die Männer in schrulligen Kleidern so herrlich fragil herumeiern, ihre Bewegungen so überlegt setzen und eben gar nicht doof sind dabei. Herrlich ist auch, wie die Gruppe eine immer noch gängige Aufgabenteilung auf den Kopf stellt: Auf der Bühne tänzeln die Jungs, das Sagen haben aber Gastregisseurin Leonie Boehm und Dramaturgin Susanne Wagner.
Zu erleben ist hier eine Welt mit starren Regeln, in deren Grenzen sich aber offenbar recht frei schalten und walten lässt. Während im Hintergrund in bunt leuchtenden Farben eine krumm und schief gemalte Hügellandschaft in Bewegung gerät, hängt man so rum, schreibt Briefe, spielt Karten und denkt sehr viel über die Liebe nach. Man kann schon neidisch werden und ins Träumen kommen über warme Sonntage mit LSD und Pudding. Oder was auch immer Ihnen Freude macht, wenn Sie mal Ruhe haben.
Die Genderfrage steht natürlich deutlichst im Raum, die nach Ausbeutung und Kolonialismus rahmt den Text durch zynische Geleitworte des Personals. Wahrscheinlich ist das gerade die große Stärke dieser Inszenierung und auch anderer Arbeiten der Thermoboys: einen Diskurs so überdeutlich in den Raum zu stellen, dass drumherum noch allerlei Zauberhaftes passieren kann. Wenn etwa eine der zu verheiratenden Schwestern auf einem gemalten Pferd über gemalte Felder reitet und über sich und den Regen nachdenkt. Nicht als Frau, sondern als Mensch (und vielleicht ein bisschen auch als Pferd).
Sa, 25. 1., 20 Uhr, Schwankhalle
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