berliner szenen: Ist alles so romantisch hier
Als wir erfahren, dass der Film „B-Movie, Lust & Sound in Berlin“ beim Mobile Kino in der Griessmühle läuft, lassen wir die Tanzstunde fallen. Eine Ausnahme, ich muss krank oder verreist sein, um den Kurs sonst zu verpassen. Aber der Club wird verdrängt, er wird von seiner Location verschwinden müssen. Außerdem ist meine Begleiterin neu in Berlin, und ich denke, dass der Film passt, um jemanden in dieser Stadt willkommen zu heißen. Also fahren wir hin, mit dem Rad die Weserstraße entlang.
Es ist kalt, und wir sind zu früh da. Wir staunen über den Preis eines kleinen Biers und spazieren durch das Industriegelände, das mir, weil es so leer ist, unheimlich vorkommt. Aber schön unheimlich, wie ein Thriller, den man gerne sieht. Wir sitzen zitternd am Kanalufer und trinken. Das Wasser spiegelt die Fabrikschornsteine auf seine ruhige Oberfläche.
Meine Begleiterin war noch nie in der Griessmühle und ist davon begeistert. Wir stellen uns vor, wie das Gelände an einer Sommernacht voller tanzender Menschen aussieht. Im Kino essen wir salziges Popcorn, obwohl sie es lieber süß mag, und decken uns mit unseren Jacken zu, denn der Saal ist zu groß, um richtig warm beheizt zu werden.
Ich liebe es, den Film wieder zu schauen, doch er kommt mir diesmal zu lang vor. Ihr gefällt er gut, findet aber, dass alles daran romantisiert ist. „Schade, nicht dieses Berlin erlebt zu haben“, sagte ich davor. Sie hat recht, finde ich, als sie sagt, dass wir heute womöglich eine spannende Phase erleben, dass uns aber die zeitliche Perspektive fehlt, um das einschätzen zu können. Während wir draußen rauchen und reden, kommen die Zuschauer*innen raus und nach ein paar Minuten ist alles wieder leer. Wir sind die letzten, die den nebligen Weg bis zur Sonnenallee fahren. Luciana Ferrando
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