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Beate Scheder schaut sich in Berlins Galerien um

Kunstkarrieren, wie sie das Internet in die Wege leitet: Die norwegische Sozialarbeiterin Frida Orupabo veröffentlichte ihre Collagen, in denen sie aus mannigfaltigem Archivmaterial ebenso poetische wie verstörende Interpretationen von Blackness und Weiblichkeit entwirft, zunächst auf ihrem Instagramkanal @nemiepeba. Auf diesem Weg erregte sie Aufmerksamkeit unter anderen bei Arthur Jafa, der sie daraufhin einlud, zu seiner Ausstellung in der Serpentine Gallery Arbeiten beizusteuern. Seitdem fertigt sie ihre Collagen auch aus Papier an, nutzt dafür weiterhin historische Aufnahmen aus dem Netz, Bilder kolonialer Gewalt wie afro­amerikanischer Kultur, die sie groß zieht, ausdruckt und über- und nebeneinanderschichtet. Musterbeutelklammern, die die Künstlerin durch sie hindurchbohrt, lassen sie wie Gliederpuppen, wie grausame Objektivierungen der abgebildeten Personen wirken. Dieses Jahr konnte man Orupabos Kunst etwa in der Hauptausstellung der Venedig-Biennale sehen und im Frankfurter Portikus. Momentan in ihrer Galerie ­Nordenhake. (Bis 18. 1., Winterferien bis 6. 1., Di.–Sa. 11 –‑18 Uhr, Lindenstr. 34).

Ebenfalls mit Collagen arbeitete Léon Ferrari, in dessen in Deutschland bislang kaum bekanntes Werk momentan KOW einführt. Vor allen Dingen die Doppelmoral der Kirche wie die Verstrickungen von Religion und Politik nimmt Ferrari darin aufs Korn. Da umschwirren barocke Engel US-amerikanische Panzer, oder eine entblößte weibliche Brust lugt aus der Kathedrale von Durham hervor. Ähnlich arbeitete er am Objekt – steckte etwa Heiligenfiguren in Standmixer oder Toaster – und mit Video. Ekelhaft und beißend komisch ist „Casa Blanca“ (2005), in dem der argentinische Künstler Regenwürmer durch ein Modell des Weißen Hauses kriechen lässt. (Bis 1. 2., Winterferien bis 4. 1., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Lindenstr. 35).

Der Effizienzsteigerung durch Standardisierung die­nen die ­Geometriescha­blo­nen, mit denen sich Luca Frei in seiner Ausstellung bei ­Barbara Wien beschäftigt. Lillian Gilbreth, eine der ersten als Ingenieurin arbeitenden Frauen, hatte diese in den 20er Jahren mit ihrem Mann Frank entwickelt, um Arbeitsprozesse in Diagrammen visualisieren zu können. Als Befreiungsakt könnte man die Art und Weise beschreiben, wie sich Frei dieses Formenvokabular aneignet: Bewegliche Sitzkissen hat er daraus genäht, sie auf Leinwände gepinselt und durch eigene Begriffe ergänzt, die seinen Ideen zu freiem, selbstbestimmten Lernen, Handeln und Kooperieren eher entsprechen. (Bis 25. 1., Winterferien bis 6. 1., Di.–Fr. 13–18, Sa. 12–18 Uhr, Schöneberger Ufer 65).

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