: Somalias Frieden liegt in Trümmern
Die Shabaab-Islamisten in Somalia galten als geschwächt, die Regierung plant Wahlen. Jetzt hat ein blutiger Anschlag in der Hauptstadt die Kräfteverhältnisse neu gemischt
Von Ilona Eveleens, Nairobi
Wieder hat ein massiver Bombenanschlag die somalische Hauptstadt Mogadischu getroffen. Mehr als 90 Menschen wurden am Samstag getötet, als ein Lastwagen, vollgeladen mit Sprengstoff, beim Stau an einer Sicherheitskontrolle explodierte. Es gibt mehr als hundert Verwundete. Es ist der schlimmste Angriff in Mogadischu seit 2017, als es bei der Explosion einer Autobombe mehr als 500 Tote gab. Niemand hat sich bis Sonntagnachmittag zu dem Angriff bekannt, aber alles deutet auf die islamistische Bewegung Al-Shabaab (Die Jugend) hin, die weite Teile Somalias kontrolliert und öfters diese Art von Attentaten verübt.
Unter den Opfern befinden sich viele Studenten, die in einem Bus auf dem Weg zur Banadir-Universität waren. Es starben auch zahlreiche Polizisten, die an dem Sicherheitsposten Autos und Fußgänger kontrollierten. Bei solchen Posten in der Stadt gibt es oft besonders viel Betrieb, weil die Durchsuchungen reichlich Zeit beanspruchen.
Es starben bei dem Anschlag auch zwei türkische Ingenieure, die an dem Neubau der Straße arbeiteten. Die Türkei ist einer der größten Unterstützer von Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Farmajo und trainiert auch Teile seiner Armee. Ein türkisches Militärflugzeug hat jetzt die schwerstverwundeten Somalier in die Türkei zur Behandlung ausgeflogen und medizinische Hilfe in Mogadischu hinterlassen.
Al-Shabaab kämpft schon seit fast fünfzehn Jahren dafür, aus Somalia einen islamistischen Staat zu machen. Die Terrorgruppe entstammt der politischen Organisation der islamischen Gerichtshöfe, die zuvor versucht hatten, Ordnung zu bringen in das Land, das nach dem Sturz von Diktator Siad Barre im Jahr 1991 zerfallen und in Bürgerkrieg versunken war. Die „Union der Islamischen Gerichtshöfe“ (UIC) wurde Ende 2006 von Äthiopien mit US-amerikanischer Hilfe aus Mogadischu vertrieben, worauf ihr Jugendflügel sich unter dem Namen „Shabaab“ abspaltete und mit Terroranschlägen gegen die äthiopisch unterstützten neuen Machthaber in Mogadischu kämpfte. 2012 erklärte al-Shabaab al-Qaida die Treue und wird seitdem im Rahmen des „Krieges gegen den Terror“ auch von den USA und mehreren afrikanischen Ländern bekämpft. Im Gegenzug rekrutieren die Islamisten, die jahrelang den gesamten Süden Somalias beherrschten, Kämpfer in Nachbarländern, vor allem Kenia. Zuletzt wurden die Islamisten zurückgedrängt, aber der Anschlag zeigt, wie schwierig es geblieben ist, Mogadischu zu schützen. Trotz der Anwesenheit einer 20.000 Soldaten starken Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU), genannt Amisom, gibt es beinahe tägliche Anschläge. Die USA melden oft, dass sie mit bewaffnete Drohnen Führer der Bewegung töten, aber nachhaltig geschwächt erscheint al-Shabaab nie.
Beobachter glauben, das die islamistische Bewegung Somalias staatliche Behörden wie auch Polizei und Armee unterwandert hat. Es gibt in Mogadischu viele Sicherheitsposten, und wenn ein Laster voller Sprengstoff sein Ziel erreichen kann, bedeutet es, dass das Bombenmaterial bereits an mehreren Durchsuchungen vorbeigekommen ist. Aber das ist auch mit Bestechung möglich in einem Land, von dessen Bevölkerung der größte Teil in Armut lebt. „Somalia ist noch lange nicht imstande, die Kontrolle über die Sicherheit in den Griff zu bekommen“, sagt Hussein Sheikh-Ali vom Hiraal-Institut, einem sicherheitspolitischen Thinktank in Mogadischu.
Der Anschlag ist auch eine Warnung an der Regierung von Farmajo, die nächstes Jahr Somalias erste freie Wahlen organisieren will. Das amtierende Parlament wurde nur indirekt gewählt. Farmajo will jetzt einen Wahlgang, bei dem jeder registrierte Somalier eine Stimme abgeben kann. Das setzt staatliche Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet voraus.
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