: Merkel vernebelt Atompläne
SCHWARZ-GELB Der Koalitionsvertrag soll nur vage Formulierungen enthalten. CDU-Ministerpräsident Oettinger sieht Ausstieg aus dem Ausstieg jedoch gesichert
BERLIN taz/afp/ap/rtr | Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP sind die genauen Modalitäten des geplanten Ausstiegs aus dem Atomausstieg nach wie vor offen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Frage bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen im kommenden Mai offen halten. „Die Ansage der Kanzlerin ist, dass im Koalitionsvertrag nur eine sehr allgemeine Formulierung steht“, zitierte die Agentur aus Verhandlerkreisen.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger erklärte dagegen, die künftige Regierung wolle die Laufzeitbegrenzung für die deutschen Atomkraftwerke komplett streichen. Die Laufzeit solle allein vom Stand der Technik abhängen und nicht vom Gesetzgeber.
Entscheidend sind damit die Sicherheitsstandards, die Union und FDP für den Weiterbetrieb der Kraftwerke festlegen. Verlangen sie, auch ältere Meiler gegen Flugzeugabstürze zu sichern, wäre der Betrieb vieler Anlagen nach Einschätzung von Experten nicht mehr rentabel. Vor allem der in Norddeutschland aktive Vattenfall-Konzern und die baden-württembergische EnBW wären betroffen, weil sie viele ältere Kraftwerke betreiben. Der Eon-Konzern dagegen könnte seine vergleichsweise neuen Anlagen länger laufen lassen.
Umweltverbände protestierten gegen die Koalitionspläne scharf. Die nun offenbar geplante vollständige Freigabe der Akw-Laufzeiten habe „nichts mit der von Union und FDP angeblich gewollten Brückentechnologie hin zu erneuerbaren Energien zu tun“, erklärte der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Hubert Weiger. „Die Öffentlichkeit soll beruhigt werden“, sagte Henrik Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW.
Am Donnerstag war ein Papier der Koalitions-Arbeitsgruppe Umwelt bekannt geworden, in dem die Abkehr vom Atomausstieg festgeschrieben ist. Der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhofer sagte jedoch am Freitag in Berlin, der Entwurf sei noch nicht zwischen den künftigen Koalitionspartnern abgestimmt. Es sei „sehr ärgerlich“, dass die Papiere gestreut würden.
Neben den Umweltpolitikern tagten am Freitag auch die Gesundheits- und Wirtschaftspolitiker der Parteien. Die nächste Koalitionsrunde in großer Besetzung ist für den kommenden Mittwoch vorgesehen. Über die strittigen Fragen soll nach jetziger Zeitplanung am folgenden Wochenende endgültig beraten werden. Bei zusätzlichem Beratungsbedarf sind weitere Termine bis zum 23. Oktober vorgesehen.
Bei den Verhandlungen zur Gesundheitspolitik zeichneten sich am Freitag neue Preisvorschriften für die Pharmabranche ab. Denkbar seien Regelungen, die nach Markteintritt eines Medikaments zu fairen Preisen führten, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz. Mit Freundlichkeiten allein komme man nicht weiter. „Wir wissen, wie es im Haifischbecken zugeht“, fügte sie hinzu.
Für die Banken wird es wohl auch unter einer schwarz-gelben Bundesregierung schärfere Vorschriften geben. Am Freitag wurde ein Arbeitspapier der Finanzexperten bekannt, das entspreche Vorschriften vorsieht. Es sieht unter anderem schärfere Eigenkapitalanforderungen vor, die allerdings „differenziert nach den jeweiligen Geschäftsmodellen“ angewandt werden sollen. Wie bereits bekannt geworden war, wird die Bankenaufsicht unter Union und FDP bei der Bundesbank gebündelt. Die von der Zentralbank selbst ins Spiel gebrachte zusätzliche Übernahme der Versicherungsaufsicht findet sich in dem Text jedoch nicht wieder. RAB