Girl Meets Girl im Indierock

Marika Hackman übte im Privatclub in Kreuzberg schon mal die Einstimmung in die Weihnachtszeit

Am Ende wurde es weihnachtlich. Zwei Weihnachtslieder spielten Marika Hackman und Band (samt der One-Woman-Vorgruppe Art School Girlfriend) als Zugabe – und zum Schluss sogar „Last Christmas“ in einer schön schummrigen, mit Reggae-Break versehenen Version. Ja, es weihnachtet sehr, und in den vogelzwitschernden Gesprächen vor Konzertbeginn ging es vornehmlich um dieses Thema: Wo und wie Weihnachten verbringen und wo dann Silvester?

Tendenziell werden die Billigflieger voll sein, weil viele über die Feiertage in die Länder fliegen werden, in denen ihre Eltern wohnen. „Wanderlust“ heißt das passende Wort auf ­Englisch und auch das Stück, mit dem ­Hackman, die selbst aus der Grafschaft Hampshire stammt, ihr Konzert eröffnete: „Did I make her laugh, was it just pretend? / Was she being kind? / Yes, she was kinder then, in Berlin“.

Ist es Zufall, dass alles Relevante, was Indiehausen heutzutage noch zu noch bieten hat, inzwischen, sagen wir, weniger an Girl-MeetsBoy-, sondern mehr an Girl-Meets-Girl-Storys Interesse hat? Wie die Australierin Courtney Barnett macht auch Marika Hackmann soliden Indierock, der bei Hackman allerdings ­verstärkt aufs Formatradio schielt und ansonsten – immer schön Chorus-Effekt auf die Gitarre! – knietief in den Achtzigern steckt. Das klingt rund und groovy, hat aber unter dem Strich drei, vier Hits am Start (besonders zu nennen sind „I’m Not Where You Are“ und „The One“) und ansonsten viel musikalische Beliebigkeit, was doppelt schade ist, da Marika Hackman eine sehr gute Stimme mit großem Umfang besitzt. Sie könnte tatsächlich die queere Antwort auf Lana Del Rey sein statt die schmutzige Antwort auf Belinda Carlisle.

Wobei der Schmutz hier ein funkelnder ist. Hackmans neue, dritte Platte, „Any Human Friend“, beschäftigt sich vollumfänglich mit den Dingen des Körpers, mit dem rauen Trennungsschmerz wie mit der unbändigen Lust. Dem viel zu selten besungenen Thema „Frau spannt Mann die Freundin aus, wenn auch nur für eine Nacht“ hat Hackman schon vorher eine Hymne gewidmet, auch das ein kleiner Hit: „I’ve got your boyfriend on my mind / I think he knows she stayed with me last night / I held his world in my hands / I threw it out to see where it would land“.

Live hat sie das leicht reserviert wirkende Publikum im angeblich ausverkauften Privatclub in Kreuzberg doch gut im Griff. Dass der Funke nicht komplett überspringen wollte, lag jedenfalls nicht an der sehr guten Backing Band – Bassistin, Drummerin, Gitarrist – und schon gar nicht am Einsatz der 27-Jährigen vorne. Es muss an den Songs gelegen haben, die eben nicht immer die Klasse der Hits haben. Aber gut, auch der letzte von Courtney Barnett war eben nicht nur gut. Ist halt schwierig geworden in einem Genre, von dem sich die meisten schon wieder abgewandt haben.

René Hamann