Stecken blieb er nie, der Hausmeister

VERKEHR Das taz-Haus hat viele Treppen. Und einen widerspenstigen Aufzug

Der Fahrstuhl ist in historisch-materialistischer Hinsicht absurd: Er passt nicht in die marxistische Idee vom Fortschritt, denn er wurde noch vor den Hochhäusern, also bevor er überhaupt gebraucht wurde, erfunden. Der taz-Fahrstuhl ist ein Lastenaufzug, der unterwegs leise röhrt und an jeder Etage zweimal laut knarzt. Er wurde 1968 in einem verglasten Schacht an die hintere Hauswand installiert und ersetzte den alten holzgetäfelten Personenfahrstuhl von vorne. Der Aufzug hat lieblos graue Blechwände, dafür ist er jedoch lichtschrankengesichert – seit 2000. Weil immer mehr Praktikanten in der taz arbeiten, die unwissend die Lichtschranke berühren, bleibt der Aufzug immer öfter zwischen den Etagen stecken. Deswegen sollte ich als Aushilfshausmeister eine Fahrstuhlschulung für sie organisieren. Daraus wurde nichts. Dafür interviewte die Wahrheit-Redaktion am 16. März, dem „Tag des Fahrstuhlführers“, Reinhold Breitner. Er ist Fahrstuhlführer in einem Düsseldorfer Fünf-Sterne-Hotel – und gerät dabei mit vielen Prominenten „auf Tuchfühlung“. Er sollte ein bisschen was ausplaudern, wozu er jedoch nicht bereit war. Mir hingegen unterstellte man am selben Tag auf der Wahrheit-Seite, ich sei mit einer bestimmten Kollegin im taz-Fahrstuhl stecken geblieben und musste mich „geschlagene eineinhalb Stunden von ihr vollquatschen lassen“. Ich bin noch nie stecken geblieben!

Aber dennoch habe ich Fahrstuhlprobleme – seit man nämlich die sonntaz, diese noch jung-jipperige, zudem sehr große Abteilung ausgerechnet im sechsten Stock untergebracht hat. Ständig benutzen sie nun den Fahrstuhl, um von ganz oben sich ganz unten Kaffee zu holen, im Cafégarten eine zu rauchen oder auf die Toilette zu gehen. Und jedes Mal muss man endlos warten – bis der Fahrstuhl wieder frei wird. Dabei gehört er doch zu den Grundwerkzeugen von Aushilfshausmeistern – neben Sackkarre, Hubwagen und Schlüsselbund.

Neulich stand ich im taz-Fahrstuhl, um einen Hinweiszettel anzubringen. Es ging darum, dass eine neue, nächtens tätige Putzfrau wiederholt mit der Schnur ihres Staubsaugers in die Lichtschranke gekommen war – damit den Fahrstuhl zwischen den Etagen gestoppt hatte – und dann sich nicht anders zu helfen wusste, als laut zu rufen. Der Zettel sollte sie über dessen Bedienung im Notfall aufklären. Da kam Norbert Blüm herein – er war bei der Chefredakteurin gewesen und wollte das taz-Gebäude verlassen. Aufgeräumt meinte er zu mir: „Arbeiten Sie nicht zu viel, das dankt Ihnen keiner!“ Ich nickte höflich und dann fuhr er auch schon mit dem Fahrstuhl nach unten. Währenddessen stieg leichter Groll in mir hoch, weil ich mich an einen besonders dämlichen Nachwendesatz von ihm erinnerte: „Marx ist tot, aber Jesus lebt!“

Der Fahrstuhlhersteller Otis, der nicht nur den Eiffelturm-Fahrstuhl baute, sondern auch den taz-Fahrstuhl, musste gerade eine dicke Kartellamtsstrafe wegen Preisabsprachen zahlen. Und das sprach doch eindeutig eher für die marxistische als die christliche Sicht auf die Welt.

HELMUT HÖGE