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Streikbrecher-Prämie von der Bürgermeisterin

Nachdem Ver.di zum Streik aufgerufen hatte, lobte die kommunale „Fördeland-Therme“ in Glücksburg eine Sonderzahlung für alle aus, die trotzdem arbeiten. Am Dienstagabend gab es dann doch noch eine Einigung

Von Simone Schnase

Der Verhandlungstermin zwischen Ver.di und der Geschäftsleitung der ­„Fördeland Therme“ in Glücksburg am gestrigen Dienstag versprach hitzig zu werden. Denn am vergangenen Donnerstag hatten die Beschäftigten des Wellness-Bades einen Aushang vorgefunden, zu dem Ver.di-Gewerkschaftssekretär Matthias Pietsch nur ein einziges Wort einfällt: „empörend“.

Darin lobte die Geschäftsleitung der Therme eine Sonderzahlung von 75 Euro pro Tag aus – für alle MitarbeiterInnen, die einem Streikaufruf der Gewerkschaft „nicht nachkommen und damit zur Aufrechterhaltung des Betriebes beitragen. Entsprechende Mitarbeiter-/innen sollten sich bei der Betriebsleitung melden“, hieß es da. Unterschrieben war das Angebot der „Streikbrecher-Prämie“ von Kristina Franke. Und die ist nicht nur Geschäftsführerin der Therme, sondern auch Bürgermeisterin von Glücksburg.

Die Therme ist ein Tochterunternehmen der Stadt: „Und wir sind der Meinung, dass ein Unternehmen in öffentlicher Hand die dort Angestellten auch nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlen sollte“, sagt Pietsch. Das ist bisher nicht der Fall, man könnte fast sagen: im Gegenteil. Denn die untersten Lohngruppen erhalten dort laut Haustarif nur 9,18 Euro in der Stunde – das ist sogar ein Cent unter dem gesetzlichen Mindestlohn. „Den Cent mehr bezahlt man den Angestellten freundlicherweise aber freiwillig“, sagt Pietsch. Die Angestellten, die auch Abends und am Wochenende arbeiten müssen, verdienen dort bis 9,50 Euro und Teamleitungen zwischen zehn und 11,50 Euro pro Stunde.

Die im Frühjahr aufgenommenen Tarifverhandlungen seien immer wieder am Widerstand der Geschäftsleitung gescheitert, sagt Pietsch: „Dabei sind wir ihr schon weit entgegengekommen.“ Die letzte Forderung von Ver.di umfasste Tariferhöhungen auf elf Euro in den untersten Lohngruppen und bis zu 14 Euro für alle anderen. Alle Löhne sollen bis 2021 um 1,50 Euro erhöht werden. „Die elf Euro und eine Anpassung der veralteten Gehaltstabellen waren im Oktober gesetzt, aber alles andere wurde abgelehnt – und damit war für die Tarifkommission dann Schluss“, sagt Pietsch.

„Bei einem öffentlichen Bad müsste eigentlich der TVöD angewendet werden“

Burkhard Repenning, FDP

Also wurde gestreikt, erst für vier Stunden am vergangenen Mittwoch und dann am Sonntag und Montag ganztägig. Ob es Mitarbeitende gegeben hat, die an diesen beiden Tagen die Streikbrecher-Prämie in Anspruch genommen haben, weiß Pietsch nicht, aber viele können es nicht gewesen sein, denn: „Der größte Teil der Beschäftigten hat gestreikt, die haben den Laden stillgelegt“, sagt er.

Als „Griff in die Mottenkiste“ bezeichnet Jürgen Nielsen-Bolte, SPD-Fraktionsvorsitzender in der Glücksburger Stadtvertretung, das unmoralische Angebot der parteilosen Bürgermeisterin, die sich auf Anfrage der taz nicht äußerte. Dazu geraten habe ihr als Geschäftsführerin der Therme der konventionelle Arbeitgeberverband, nicht der kommunale, sagt Nielsen-Bolte. Warum Kristina Franke diesem Rat gefolgt ist, kann er sich nicht erklären. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Burkhard Repenning findet ihren Vorstoß „unglücklich“. Er hat Verständnis für die Streikenden: „Bei einem öffentlichen Bad müsste eigentlich der TVöD angewendet werden.“ Die finanzielle Situation der kleinen Stadt erlaube das aber nicht.

Gewerkschafter Pietsch sagt, von den Thermen-Gästen habe es viel Rückhalt gegeben, auch die Geschäftsleitung sei vom Streik „beeindruckt“ gewesen. Sie habe den MitarbeiterInnen daraufhin angeboten, ihnen per Einzelvertrag bereits jetzt elf Euro pro Stunde zu zahlen, plus Lohnerhöhung von je 50 Cent in der Stunde für 2020 und 2021. Kurz vor Redaktionsschluss teilte Pietsch mit, dass eine Einigungserklärung unterschrieben sei, „die gut und darstellbar ist“. Ob sich die Bürgermeisterin zur Streikbrecher-Prämie geäußert hat, mochte er allerdings nicht verraten.

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