taz-adventskalender
: Ein Freiheitsversprechen

Brandt, Jan: „Ein Haus auf dem Land / Eine Wohnung in der Stadt“. DuMont Buchverlag, 424 Seiten, 24 Euro

Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24. Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten Grund zur Freude gibt, präsentieren wir bis Weihnachten täglich eine gute Nachricht.

Es ist ein geschickter Kniff, dass Jan Brandt in seinem autobiografischen Buch „Eine Wohnung in der Stadt, ein Haus auf dem Land“, das in diesem Frühling erschienen ist, ausgerechnet mit London anfängt. London ist die Stadt, in der sich der Autor Ende der Neunziger trotz Erasmus-Programm, Bafög und zahlreicher Jobs einfach nicht behaupten kann. Es ist die Stadt, die alle pleite macht.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland entscheidet sich der Autor folgerichtig, in die günstigste deutsche Großstadt zu gehen, nach Berlin. Und berichtet von der ersten in einer Reihe von Wohnungen, aus der er bald wieder raus muss. Berlin, so schält es der heute 45 Jahre alte Jan Brandt in seinem Buch heraus, erscheint ihm wie vielen Neuberlinern damals wie ein einziges Freiheitsversprechen. Es dauert lang, bis er versteht, dass dies nur ein Missverständnis ist. Die Stadt gehört ihm nicht, sie gehört ihm immer weniger, in Zeiten zunehmenden Mietenwahnsinns verbaut sie ihm mehr und mehr jede Chance, irgendwo anzukommen.

Das ist aber noch nicht alles, denn das Besondere an „Eine Wohnung in der Stadt, ein Haus auf dem Land“ ist, dass es ein von vorn wie von hinten lesbares Wendebuch ist, dass es zwei Titel hat und nicht nur von der „Wohnung in der Stadt“ erzählt, sondern auch von dem „Haus auf dem Land“; von Jan Brandts Versuch also, in einer Art Gegenreaktion die alte Heimat zurückzugewinnen. Doch erscheint sein Plan von Anfang an grausam aussichtslos, dem genau beschriebenen Elend der steigenden Mieten, des Schimmels an den Wänden, der gelackten Makler, der Massenbesichtigungen und der Eigenbedarfskündigungen in Berlin zu entkommen.

Es ist so deprimierend wie superlustig, dem Poeten dabei zu folgen, wie er in der einst verhassten ländlichen Langeweile von Ostfriesland, in einem Dorf mit dreieinhalbtausend Einwohnern, das 150 Jahre Backsteinhaus des Urgroßvaters zu retten versucht – einen alten Gulfhof, wo sich Wohnhaus und Scheune unter einem Dach befanden. Je verzweifelter sich Brandt in Berlin gegen die eigene Verdrängung stemmt, umso irrwitziger erscheinen seine Hoffnungen, seine Träume, auch seine unbeholfenen Gespräche mit potenziellen Kreditgebern trotz prekärer Einkommensverhältnisse.

Man muss die große Frage nach der Heimat gar nicht stellen, um Jan Brandts Buch gut zu finden. Auch der Autor selbst ist viel zu sachlich und humorvoll für allzu große Fragen. Denn seine Bedürfnisse setzen sehr viel weiter unten an. Jan Brandt plädiert für Städte, in denen man sich einfach nur nicht permanent gejagt fühlen muss – und für Dörfer, die der allgemeinen Gewerbeversteppung etwas entgegenzusetzen haben. Insofern ist „Eine Wohnung in der Stadt, ein Haus auf dem Land“ das Buch der Stunde für eine Gesellschaft, die derzeit ziemlich stecken geblieben wirkt zwischen Entmietung und Landflucht.

Berlin-Faktor: pessimistisch

Taugt als Weihnachtsgeschenk für: alle Verdrängten und von Verdrängung Bedrohten

Kunden, die das kauften, kauften auch: eine Datsche