Fußball-Diplomatie

Das angespannte Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Katarscheint sich auch mithilfe des Golf-Cups in Doha ein wenig zu lockern

Rein sportliches Duell in Doha: Saudi-Arabiens Abdullah al-Hamddan (r.) im Sprint gegen Ahmed Bughammar aus dem Bahrain Foto: imago

Aus Doha Ronny Blaschke

Ohne Umweg ist das Nationalteam Saudi-Arabiens mit der heimischen Fluglinie nach Doha gereist. Dabei ist der direkte Flugverkehr eigentlich ausgesetzt. Für die weitere Reise in Katar wurde der saudischen Mannschaft ein Bus in ihren Nationalfarben zur Verfügung gestellt. In den Straßen Dohas wurden die Gäste auch mit saudischen Flaggen willkommen geheißen. In der Nachbarschaft der beiden Golfstaaten scheint alles normal zu laufen.

Doch das täuscht: Im Juni 2017 verhängten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten eine wirtschaftliche Blockade gegen Katar. Der Vorwurf: Katar würde Terroristen unterstützen. 2017 wollte Katar schon den Golf-Cup ausrichten, doch das regionale Turnier wurde kurzfristig nach Kuwait verlegt, sonst wären die Blockadestaaten ferngeblieben. Zwei Jahre später findet der Golf-Cup tatsächlich in Doha statt. Mit dabei: Saudi-Arabien und seine Verbündeten.

„Bei den Saudis scheint sich die Einsicht breitzumachen, dass Katar vor der Blockade nicht auf die Knie gehen wird“, sagt der Nahost-Experte Mehran Kamrava von der Georgetown University in Doha. „Wir wissen, dass es seit einigen Monaten auf diplomatischer Ebene Gespräche zwischen Katar und Saudi-Arabien gibt. Der Fußball schafft einen größeren Kontext, in dem Politiker sich leichter annähern können. Eine Art Fußball-Diplomatie.“

Im Januar dieses Jahres sah das anders aus. Bei der Asienmeisterschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten waren Fans und Journalisten aus Katar unerwünscht. Im Halbfinale gegen den Gastgeber wurden katarische Spieler mit Schuhen beworfen, ein Inbegriff für Verachtung.

In den vergangenen Monaten ist einiges passiert, etwa der mutmaßlich iranische Beschuss einer Ölanlage in Saudi-Arabien und Massenproteste gegen das Regime in Teheran. Offenbar richtet Riad seinen Fokus wieder mehr auf die Isolation seines Erzrivalen Iran. Zumal die Blockade gegen Katar nicht die gewünschte Wirkung erzielt habe, sagt der Politikwissenschaftler Mehran Kamrava: „Am Anfang der Blockade fühlten sich die Katarer von ihren Nachbarn verraten. Aber mit der Zeit setzte sich das Bewusstsein durch, dass man neue Einnahmequellen braucht. Die Katarer konzentrierten sich stärker auf die eigene Landwirtschaft und Industrie. Heute glauben die Menschen, dass Katar mächtiger ist als vorher.“

In der Region wirken sich politische und stammeskulturelle Blockbildungen auch auf den Sport aus, sagt der britische Wissenschaftler Simon Chadwick, der Sportpolitik an der University of Salford analysiert. In der Formel 1 lehnten es die Standorte Bahrain und Abu Dhabi ab, dass in Katar ein drittes Rennen in der Golfregion etabliert wird. Katar wiederum sträubte sich gegen eine Erweiterung seiner Fußball-WM von 32 auf 48 Mannschaften. „Das war auch ein Zeichen gegen mögliche Co-Gastgeber wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate“, sagt Chadwick. „Darüber hinaus wollte eine Agentur nachweisen, wie ungeeignet Katar als Gastgeber sei. Saudi-Arabien hat diese Kampagne finanziert.“

Das Turnier: Der Golfpokal wird seit 1970 alle zwei, drei Jahre ausgetragen. Bei der Premiere waren vier Teams dabei. Mittlerweile hat sich das Teilnehmerfeld verdoppelt. Dabei sind Kuwait, Bahrain, Katar, Saudi-Arabien, Irak, Jemen, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. Kuwait ist Rekordsieger (10 Titel). Erfolglos sind noch der Bahrain und Jemen.

Politische Konflikte: Beim Golfpokal 1990 verzichteten sowohl der Irak als auch Saudi-Arabien auf eine Teilnahme, die irakische Mannschaft wurde aber sowieso aufgrund der Kuwait-Invasion und des zweiten Golfkriegs von der Teilnahme ausgeschlossen.

Die aktuelle Lage: Nach der Vorrunde stehen sich am Donnerstag im Halbfinale Irak und Bahrain sowie Saudi-Arabien und Katar gegenüber. Der Titelverteidiger Oman ist bereits ausgeschieden. Das Finale findet am Sonntag statt.

Nun für den Golf-Cup sollen erstmals seit mehr als zwei Jahren Busse mit saudischen Staatsbürgern die Grenze nach Katar überquert haben. Dem Anschein nach waren die Zuschauer in den Stadien keinen Anfeindungen ausgesetzt. Auch das war beim Asian-Cup Anfang des Jahrs anders: Tickets für das Halbfinale gegen Katar wurden fast ausschließlich an emiratische Staatsbürger ausgegeben. Jubel für Katar, so die Ankündigung, hätte sanktioniert werden können. Am Montag nun bezwang Katar im dritten Vorrundenspiel des Golf-Cups die Emirate 4:2. Jedes Tor wurde laut bejubelt.

Doch jenseits dieser Prestige-Ereignisse wurden Sportbegegnungen zwischen Katar und Saudi-Arabien häufig von Provokationen begleitet. So kam es zu Kündigungen von Sponsorenverträgen, abgesagten Spielertransfers oder verweigerten Handschlägen bei Nachwuchspartien. Die Folge: In Katar lasse sich zumindest unter den Einheimischen ein wachsender Nationalstolz beobachten, sagt Craig LaMay, Medienwissenschaftler an der Northwestern University in Doha: „Das Bild des Emirs ist überall zu sehen, die Blockade prägt die nationale Identität stark – auch im Sport.“

Seit 1981 sind die arabischen Golfstaaten im Kooperationsrat organisiert. Zuletzt galt dieses Netzwerk als weitgehend lahmgelegt. Ob sich das ändert, könnte auch am Golf-Cup liegen. Am Donnerstag trifft Katar im Halbfinale auf Saudi-Arabien.