heute in hamburg
: „Verleiht der Tod dem Leben erst Bedeutung?“

Buchvorstellung „Über die Vergänglichkeit. Eine Philosophie des Abschieds“. 19 Uhr, Haus im Park, Gräpelweg 8. Anmeldung: hip@koerber-stiftung.de

Interview Friederike Gräff

taz: Muss man das Abschiednehmen lernen, Frau Schmidt?

Ina Schmidt: Das weiß ich gar nicht so genau. Es ist in jedem Fall etwas, das uns innewohnt, weil wir als Menschen mit Enden und Endlichkeit zu tun haben und irgendwie einen Umgang damit versuchen. Aber meistens sind Abschiede kulturell geprägt und in diese Kulturtechniken wird man erst einmal eingeführt, sei es durch das Handgeben zum Abschied oder die Beerdigungszeremonie. Von dort aus kann man sich dann fragen, wie gehe ich mit Momenten um, in denen ich nicht öffentlich Abschied nehme.

Mit dem Eingeständnis der Endlichkeit, die im Abschiednehmen liegt, gibt man auch die eigene Verletzlichkeit zu. Das liegt nicht gerade im Zeitgeist der Selbstoptimierung.

Das Buch ist auch der Versuch eines Gegenentwurfs, der ein Stück weit Erleichterung verschaffen kann bei diesem permanenten Druck, immer alles schaffen zu müssen. Dann stellt man fest, dass viele Menschen an den selben Stellen mit Unvollkommenheit und Verwundbarkeit konfrontiert sind. Sich in dieser Erfahrung zu verbinden, muss auch keine Abkehr von der Leistungsgesellschaft sein. Es ist eher der Wunsch, das eine zu versuchen und das andere auch zulassen zu dürfen.

Damit nimmt man eine gewisse Traurigkeit in Kauf – auch kein Publikumshit.

Foto: Körber-Stiftung

Ina Schmidt, 46, beschäftigt sich als Philosophin und Publizistin mit Abschied und Vergänglichkeit.

Das ist ein Traurigsein, von dem ich ganz sicher bin, dass es ohnehin stattfindet. Man ist nicht öffentlich traurig, da werden die repräsentativen Seiten des eigenen Lebens in den Vordergrund gestellt – das muss ja auch nicht verwerflich sein. Aber ich glaube, dass wir durch den Machbarkeitswahn, dem wir gelegentlich verfallen, die Abweichungen häufig als Problematik sehen und nicht als etwas, das uns begleiten darf, ohne dass wir daran verzweifeln.

Lässt sich der große Abschied, der eigene Tod, auch einüben oder ist das zu viel gewollt?

Das ist viel gewollt. Und es gibt seit 2.000 Jahren Philosophiegeschichte auch Kritik daran. Da ringen zwei Positionen miteinander: Ist es sinnvoll, sich schon im Leben so viele Gedanken um etwas zu machen, das wir nicht genau kennen können? Mir geht es weniger darum, den Tod als den Moment des Sterbens zu bedenken, sondern sich zu fragen: Was bedeutet das Wissen um den eigenen Tod für mein Leben? Ist das eine Bedrohung – oder, das ist Platons Position, verleiht es ihm erst Bedeutung? Gelingt durch die Beschäftigung damit vielleicht eine Art Gewöhnung trotz der Angst, die weiter besteht?