Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Eine Schüssel ist eine Schüssel

Foto: Roberta Sant'anna

Was ist ein Bowl?“, fragt der Freund, der seit ein paar Jahren auf dem Land lebt. Wir stehen im Karoviertel und müssen was essen.

„Eine Bowl ist ein Gericht mit vielen verschiedenen Sachen in einer Schüssel“, sagt eine Freundin.

„‚Bowl‘heißt doch Schüssel.“

„Also ist es ein Schüsselgericht.“

„Warum heißt es dann nicht so?“

„Nun ja, Felix, es ist ja nicht irgendwas drin, sondern … ähm.“

„Superfood?“ fragt die Freundin.

„Ich weiß nicht, ob da drin alles Superfood ist.“

„Aber eher gesundes Zeug.“

„Was ist Superfood?“

„Na, alles was gesund ist, eben.“

„Und warum heißt es dann nicht so? ‚Gesundes Essen‘.“

„Weil kapitalistische Trends neue Namen brauchen.“

„Englische Namen.“

„Wieso eigentlich?“

„Weil die Germans seit 1945 so geprägt sind, was gut ist, kommt aus den USA!“

„Aber wir leben doch nicht mehr in der Nachkriegszeit.“

„Wann endete die Nachkriegszeit?“

„2006, als die Deutsche Flagge zu schwingen ein verharmloster Trend wurde.“

„Alles zwanghaft deutsch zu benennen, ist auch ein beknackter Trend, da klebt plötzlich an allem Manufaktur oder Heimat.“

„Stimmt, das ist grässlich. Dann lieber Englisch.“

„Aber ‚Smoothie‘klingt wie 'ne Sprachstörung.“

„Das Zeug ist bloß Saft.“

„Milchshake war das erste Trendgetränk.“

„Milch darf man nicht mehr trinken, Milch gilt nicht mehr als Superfood.“

„Ja, es heißt, dir wachsen dadurch neue Gliedmaßen.“

„Darf man noch Cola trinken?“

„Nein, davon stirbst du sofort.“

„Das erste Trendfood war italienisch.“

„Dann chinesisch.“

„Nie werd'ich mein erstes Huhn Süß Sauer beim Chinesen am Siemersplatz vergessen. Wir schwänzten dafür die Schule. Eine Offenbarung.“

„Ja! So schön süß.“

„Soul Food.“

„Aber Zucker darf man auch nicht mehr essen, Zucker ist das Antisuperfood.“

„Aber was essen wir denn nun? Ich werd'gaga von Unterzucker.“

„Da drüben gibt es israelische Küche, Shashuka, Hamshuka, klingt gut und schmeckt gut.“

„Ja, das ist das neue Trend-Ding, löst gerade Ceviche ab.“

„Und Ceviche hat Sushi abgelöst.“

„Was ist Ceviche?“

„Südamerikanisches Sushi.“

„Ceviche ist peruanisch und hat mit Sushi nur den rohen Fisch gemein.“

„Was an roh gesund sein soll, hab ich nie verstanden, roh ist doch ein Risikofaktor.“

„Hipster lieben Risikofaktoren.“

„Aber nur die überschaubaren.“

„Ceviche ist nicht wirklich roh. Man sollte nicht alles in einen Pott werfen.“

„In eine Bowl!“

„Aber was essen wir denn jetzt?“

„Vielleicht vegan? Das wollt ich mal ausprobieren“, sagt der Freund vom Land.

„Dann mach dir zu Hause ein Scheißgurkenbrot mit Margarine!“

„Ich mein, raffiniert vegan.“

„Pasta Arrabiata?“

„Nee, speziell vegan.“

„Tofu Bowl.“

„Hm.“

„Lasst uns einfach Döner essen. U-Bahn Feldstraße gibt es den besten, steht online.“

„Nur Döner macht schöner.“

„Aber von Döner krieg ich Bauchweh – wegen dem Weißbrot, ist ja nur Zucker.“

„Wer schön sein will, muss leiden.“

„Warum ist das mit dem Essen eigentlich so zum Überthema geworden?“

„Ja, warum eigentlich?“

„Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.“