heute in bremen
: „Die Maya-Sprachen haben überlebt“

Foto: privat

María Torres Alpuche, 59, Sprachlehrerin und Dozentin im Bereich Sprache und Kultur in Bremen.

Interview David Siegmund-Schultze

taz: Die Maya wurden von den Spaniern erobert. Lebt ihre Sprache trotzdem weiter, Frau Torres Alpuche?

María Torres Alpuche: Ja, die Mayasprachen haben überlebt. Ich spreche im Plural, weil es eine Vielzahl von Sprachen gibt, die zur Familie der Mayasprachen gehören. Sie werden heute noch gesprochen. Die wichtigste und am weitesten verbreitete Sprache in Mexiko ist das Maya Yucateco. Die Maya-Sprachen konnten fortbestehen, weil sie in Regionen gesprochen wurden, in denen die indigene Bevölkerung zum Teil geografisch isoliert lebte und die daher schwierig zu erreichen waren.

Sprechen Sie eine dieser Varianten des Maya?

Nein, aber ich habe in meiner Kindheit die Schulferien im Bundesstaat Yucatán verbracht, weil meine Familie mütterlicher Seite dort lebt. Ich habe eine emotionale Bindung zur Maya Yucateco. Die Cousinen meiner Mutter zum Beispiel haben auf dem Lande gewohnt und auf der Straße Maya gelernt. Wenn meine Mutter sie aus der Hauptstadt Mérida besuchte, haben sie sich wegen ihrer schlechten Aussprache lustig gemacht, wenn sie als Kind versuchte, ihre Worte zu imitieren. Deswegen hat sie es nicht gelernt aber sie verwendete Maya-Wörter bei uns zu Hause, vor allem Namen von Gerichten oder bestimmte Adjektiven.

Wie viel des sprachlichen Erbes der Maya ist in dem heutigen mexikanischen Spanisch wiederzufinden?

Vortrag "Maya für Anfänger" über die indigene Sprache der Maya in Mexiko im Instituto Cervantes, Schwachhauser Ring 124, 19 Uhr.

Viele Begriffe aus den indigenen Sprachen werden in Mexiko auch von Nicht-Indigenen in spanisierter Form benutzt. Ich habe meine Oma „abuelita“ genannt, so wie es alle Kinder in Mexiko-Stadt machten. Meine Cousinen in Yucatán haben aber „chichí“ zu ihr gesagt, was vom Wort für Oma auf Maya abgeleitet ist: „chiich“. Mischformen und Maya-Begriffe wie diese kommen sehr häufig vor. Und auch die Melodie des Spanischen in Yucatán ist vom Maya-Akzent beeinflusst.

Und wie ist es umgekehrt, haben auch spanische Begriffe Einzug in das Maya gefunden?

Die Einflüsse gehen in beide Richtungen. Bis auf die ersten Ziffern 1, 2 oder 3 wird im Maya auf Spanisch gezählt. Mit der Kolonisierung sind auch Begriffe für Dinge aufgetaucht, die es bei den Maya schlicht nicht gab, etwa „iglesia“ (Kirche) oder „virgen“ (Jungfrau). Als ich einmal auf einem Markt stand, auf dem indigene Bauern ihre Produkte verkauften, war das einzige, das ich verstehen konnte „Coca-Cola“, ausgesprochen mit „maya“-Akzent, so etwas wie „Kóka-Kóola“. Die Globalisierung hat also auch vor den Nachfahren der Maya nicht Halt gemacht. Sich mit solchen Kuriositäten zu beschäftigen, finde ich sehr spannend.