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Harmonien und Disharmonien

Die englische Nationalmannschaft sichert sich mit einem Kantersieg gegen Montenegro die EM-Qualifikation. Dennoch muss sich das Team mit atmosphärischen Störungen auseinandersetzen

Kleines atmosphärisches Problem: Die Pfiffe des Publikums für Joe Gomez bei der Einwechslung gefallen Trainer South­gate nicht Foto: reuters

Aus London Hendrik Buchheister

Die englische Na­tio­nal­mannschaft hat sich in der Vergangenheit gerne auch gegen einfache Gegner schwer­getan und das heimische Publikum mit traurigem Ergebnisfußball gequält. Diese Angewohnheit hat das Team unter Trainer Gareth Southgate abgelegt, das war beim historischen 1.000. Länderspiel der Engländer gegen Montenegro im Wembley-Stadion wieder einmal zu besichtigen. Schon nach 25 Minuten stand es 3:0, in die Pause ging es mit einem 5:0, am Ende sicherten sich die Engländer durch den 7:0-Erfolg die Teilnahme an der Europameisterschaft im kommenden Jahr. Es war ein beschwingter Abend, der Southgate zu einem zufriedenen Statement über die neue Qualität seiner Auswahl veranlasste: „In Spielen, die in der Vergangenheit problematisch waren, schaffen wir es, Mannschaften auseinanderzunehmen.“

33 Tore hat der WM-Vierte in den bislang sieben Partien dieser Qualifikation erzielt, beim abschließenden Spiel im Kosovo am Sonntag dürfte noch das eine oder andere dazu kommen. Insbesondere der Angriff mit Profis wie Jadon Sancho von Borussia Dortmund, Marcus Rash­ford von Manchester United, dem Debütanten Tammy Abraham vom FC Chelsea, Raheem Sterling von Manchester City und natürlich Kapitän Harry Kane, der mit drei Treffern gegen Montenegro in der ewigen englischen Bestenliste an Alan Shearer vorbeizog, stimmt das Publikum zuversichtlich für die EM. Sie ist für die Engländer eine Art Heimturnier, weil die Mannschaft alle Gruppenspiele der über den ganzen Kontinent verteilten Veranstaltung in Wem­bley abhalten darf. Auch die Halbfinals und das Finale finden im heiligen Nationalstadion statt. Die Hoffnungen auf den ersten Titel seit der WM 1966 sind aufgrund dieser Konstellation besonders groß.

Allerdings lassen sich die Erfolgsaussichten der Engländer nur schwer einschätzen, zu einfach war die Qualifikation. Zweifel bestehen an der Belastbarkeit der Abwehr. Die Viererreihe um John Stones von Manchester City und Harry Maguire von Manchester United ist auch gegen schwache Gegner anfällig. Beim bislang letzten Spiel unter verschärften Wettkampf-Bedingungen, dem Halbfinale der Nations-League-Endrunde im Juni in Portugal gegen die Niederlande, brach die englische Verteidigung auf geradezu komödiantische Weise zusammen. Interessant zu sehen wird auch, wie die junge Mannschaft des sanftmütigen Trainers South­gate mit den Erwartungen der Öffentlichkeit bei der gefühlten Heim-EM umgeht. An den Ansprüchen der Nation sind in England schon ganze Spielergenerationen gescheitert.

Insbesondere die Offensive stimmt die Fans zuversichtlich für die EM im nächsten Jahr

Auch das 7:0 gegen Montenegro wurde von atmosphärischen Störungen begleitet. Teile des Publikums buhten Liverpools Verteidiger Joe Gomez bei dessen Einwechselung in der 70. Minute aus, weil er zu Wochenbeginn in eine handgreifliche Auseinandersetzung mit seinem Teamkollegen Sterling verwickelt war. Sie hatte zur Suspendierung des Stürmers von Manchester City für die Partie geführt. Southgate hatte kein Verständnis für den kühlen Empfang für Gomez. „Ein englischer Spieler sollte niemals ausgebuht werden, wenn er das Nationaltrikot trägt. Niemals!“, tadelte der Trainer. Auch Sterling nahm den Kameraden in Schutz und wies via Social-Media-Eintrag darauf hin, Gomez habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

Folgendes wird vom Zwist erzählt: Nachdem die beiden bei Liverpools 3:1 gegen Manchester City im Premier-League-Spitzenspiel am Sonntag an­ein­ander geraten waren, verlor Sterling die Kontrolle, als er am Montag in der Teamkantine auf Gomez traf. Die Episode erinnert die Engländer daran, wie in der Vergangenheit immer wieder Vereinsrivalitäten auf das Klima in der Nationalmannschaft drückten. Atmosphärische Spannungen kann South­gate bei der Vorbereitung auf die EM wahrlich nicht gebrauchen.

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