ortstermin: in harburg diskutiert die spd-basis über populismus: Raunende Silberhäupter
Populismus – Demokratie in der Krise?“: So hatte die dortige SPD ihr „Harburger Gespräch“ am Dienstagabend überschrieben. Dieses Format richten die Genoss*innen im Hamburger Süden seit beinahe anderthalb Jahrzehnten aus, zu „Themen der Zeit“, so Holger Lange, von Anfang an als Moderator dabei. Mit den jüngeren Wahlmisserfolgen hatte die Themensetzung erklärtermaßen nichts zu tun; auch nicht mit noch jüngeren Umfragen: Es habe vielmehr etwas gedauert, einen Termin zu finden, der allen Gästen passte.
Neben Lange saßen da nun auf der Bühne des „Stellwerks“ im Harburger Bahnhof: Paula Diehl, Politikwissenschaftlerin an der Kieler Universität, die längst nicht nur, aber auch über den Populismus arbeitet; Abendblatt-Vize-Chefredakteur Matthias Iken und Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda. Den qualifizierte – neben der Tatsache vermutlich, dass er in der SPD ist – sein Ende August vorgelegtes Buch „Die Zerstörung“, in dem er schon manches von dem durchdekliniert, worum es an diesem Abend gehen sollte: eine allgemeine Neigung zu schreien, etwa, aber nicht auch mal zuzuhören.
Iken ist als Journalist heutzutage einerseits das Opfer populistischer Erregung („Lügenpresse“ etc.), bringt aber auch schon mal selbst den groben Keil zum Einsatz, streng bildlich gesprochen, versteht sich. Googlen Sie mal sein flottes Stück über die gendergerechte Sprache, wie sie sich die Stadtverwaltung von Hannover vorgenommen hat – betitelt: „Nichts ist doofer als Hannover“.
Auch nun gefiel er sich als moderater Provokateur, wies etwa darauf hin, dass SPD-Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi das Buch von Thilo Sarrazin, „Deutschland schafft sich ab“, als „zutiefst sozialdemokratisch“ bezeichnet habe; manchen der zum größeren Teil doch schon silberhäuptigen Zuschauer*innen entlockte das zustimmendes Raunen – nicht so Brosda übrigens.
Iken zufolge ist der Wahlerfolg der AfD Effekt einer nach links gerutschten Öffentlichkeit – in der sich halt viele Menschen nicht mehr wiederfänden. Davon brachte ihn auch die Wissenschaftlerin Diehl nicht ab mit ihren ein wenig „technisch“ wirkenden Argumenten – die noch so sehr empirisch belegt sein können. Dass ihr wiederholter Hinweis auf die Rolle der Medien – sei’s für den Erfolg von Sarrazins Buch, sei’s für den der AfD – den Medien-Mann nicht überzeugte: kaum überraschend.
Hielt der Abend Lösungen bereit wenn schon nicht für die Krise der Demokratie, so vielleicht für die der SPD? Wenn ja, wirkten die seltsam vertraut: Ran an die Menschen, zum Beispiel, und das auch ganz wörtlich, also: an den Tapeziertisch samstags vor Lidl. Alexander Diehl
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