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Der Schnitt ins Gewand

Julia Burde untersucht, wie dem modischen Herrn seine Taille abhanden kam

Die Rede von der männlichen Taille macht neugierig. Denn liegt darin nicht ein Widerspruch? Erfährt man dann, dass die Taille Kennzeichen des modernen westlichen Kleidungssystem ist, muss sie selbstverständlich eine Angelegenheit des Mannes sein. Die Frau erbt sie von ihm erst, als „Die Begradigung der Taillenkontur in der Männermode“ einsetzt, von der Julia Burdes bei Transcript erschienene Dissertation handelt.

Die Taille, die uns heute als eine so unmännliche Angelegenheit erscheint, forderte das Hineinschneiden in den Stoff, verlangte Nähte und Abnäher. Sie war eine Ausarbeitung des Gewandschnitts, der im späten 11. Jahrhundert aufkam und so nur in der westeuropäischen Kleidung und Mode gepflegt wurde. Sie war demnach eine Angelegenheit der Kleidung und nicht des Körpers. Sie konnte nach oben oder nach unten wandern und musste keineswegs die anatomisch schmalste Stelle des physischen Körpers markieren.

Zentral für die moderne westliche Herrenschneiderei waren Zuschnitt und Passform. Faltenlos sollte der Stoff den Körper wie eine Haut umspannen und als eigentliche Körperform wahrgenommen werden. Dabei modellierte die Taille im Zusammenspiel mit Polstern und Wattierungen einen keilförmigen männlichen Körper.

Als 1830 erstmals weite und gerade geschnittene, sogenannte Sackpaletots auftauchten, waren sie aufgrund ihrer Bequemlichkeit schnell stark nachgefragt. Dazu waren sie ideale Konfektionsstücke, während die taillierte Mode des Maßschneiders bedurfte. Er definierte im Untersuchungszeitraum, auch wegen der nun mathematischen Schnittkonstruktionen, das Modegeschehen, nicht zuletzt als Herausgeber populärer Modejournale. Brigitte Werneburg

Julia Burde: „Die Begradigung der Taillen­kontur in der Männermode“. Transcript Verlag 2019, 234 Seiten, 39,99 Euro

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