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das ding, das kommtHelikopter-Eltern: Augen zu!

Zu lauter gefährlichen Dingen (hier im nicht übertragenen Sinne eine gefährliche Schere) werden in Hamburg Kinder verleitet Foto: bukk/Wikimedia Commons

Vier ganz, ganz gefährliche Dinge kennt man noch aus diesem Kinderreim: „Messer, Schere, Gabel, Licht sind für kleine Kinder nicht!“ Vollkommen argumentfrei – das verstehen die ja eh noch nicht! – warnt er davor, dass noch ungeübte und folglich gefährdete und andere gefährdende Kinderhändchen sie angrabbeln, diese Dinge, und Unheil mit ihnen stiften.

Wie unverantwortlich erscheint es angesichts einer solch ehern daherkommenden pädagogischen Handreichung, dass das Hamburger Fundus-Theater nun ausdrücklich und gleich mehrfach dazu auffordert, insgesamt 50 gefährliche „Dinge“ unbedingt zu tun, also allerhand gefährliche Dinge im anderen Sinne anzustellen, wie zum Beispiel mal an einer 9-Volt-Batterie zu lecken – und ganz nebenbei etwas über die Geschichte von todesverachtenden Experimentier-Künsten wie Live Art und Performancekunst zu lernen.

Ausgangspunkt für die performative Gefährdungslage: das fast genauso betitelte englischsprachige Buch „50 Dangerous Things (You Should Let Your Children Do)“ von Gever Tulley und Julie Spiegler. 2005 gründeten die beiden in Kalifornien das Bildungsprogramm „Tinkering School“, eine Bastel-Schule also, der es ebenso wie dem Hamburger Forschungstheater ums kindliche Ausprobieren und Experimentieren geht.

Ein Blick ins so gefährlich anmutende Buch enthüllt natürlich: Sooo gefährlich sind all diese „Dinge“ auch wieder nicht und es ist ja immer jemand zugegen, der aufpasst und anleitet. Aber ein zweiter Blick fördert auch zutage: Was da mit Feuerlöscher, Superkleber und Batterien passieren soll, soll „Dinge“ bei den Kleinen befördern, die dann (anderen) später doch wieder gefährlich werden können, nämlich kreatives Problemlösen mit – ganz gefährlich! – „some good old-fashioned fun“ verbinden.

Im Grunde also ist es ein Buch, das man lieber einer anderen, gefährlich anmutenden Gruppe in die Hand drücken möchte, die sich auf der gegenüber liegenden Seite des pädagogischen Kontinuums erhoben und zum quasi-natürlichen Feind des kindlichen Ausprobierens entwickelt hat: den so genannten Helikopter-Eltern, die immerzu um den Nachwuchs kreisend noch das letzte verschorfte Knie zu verhindern trachten.

Vor allem eines der „gefährlichen Dinge“ bietet sich da an: mal eine Stunde mit verbundenen Augen verbringen. Robert Matthies

„Da Gefahr! 50 gefährliche Dinge, die Kinder unbedingt tun sollten“: Sa, 26. 10., bis Mi, 30. 10., Hamburg, Kampnagel. Infos: fundus-theater.de

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