: Bauquote spaltet Norderstedt
Norderstedts Stadtvertretung hat eine 50-Prozent-Quote für geförderten Wohnungsbau beschlossen und erntet dafür heftige Kritik von Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD) und Wohnungsbau-Verbänden
Von Simone Schnase
Das knapp 80.000 EinwohnerInnen zählende Norderstedt liegt in einer der begehrtesten Randlagen Hamburgs. Die Stadt zählt im Norden zu den Kommunen mit den höchsten Mietpreisen: für eine Neubauwohnung liegen die inzwischen bei rund 13, teilweise sogar schon bei 16 Euro kalt. Um dennoch auch bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können, haben die StadtvertreterInnen von CDU, SPD, Linken und Grünen nun eine Quote von 50 Prozent Sozialwohnungen bei Neubauten beschlossen.
Das ist eine Erhöhung um satte 20 Prozent, die aber, sagt Miro Berbig, Fraktionschef der Linken im Norderstedter Stadtrat, bitter nötig sei: „Wir brauchen rund 6.000 geförderte Wohnungen, haben aber nur tausend.“ Die Mietpreisbindung ehemaliger Sozialwohnungen ist ausgelaufen, neue wurden im Gegenzug nicht gebaut: „Früher gab es dafür billige Kredite von der Investitionsbank Schleswig-Holstein, heute gibt es diese billigen Kredite von jeder Bank – ohne dass man sich verpflichten muss, dafür Sozialwohnungen zu bauen“, sagt Berbig. Selbst der CDU sei aufgrund der aktuellen Bedarfszahlen klar geworden, dass die bestehende Quote nicht mehr reiche.
Die neue Quote soll zu gleichen Teilen Menschen mit einem Anrecht auf den sogenannten „ersten Förderweg“ und jenen mit dem Anrecht auf den „zweiten Förderweg“ zugute kommen: Haushalte mit geringem Einkommen und Wohnberechtigungsschein zahlen dann etwa sechs Euro Kaltmiete pro Quadratmeter und Haushalte mit mittleren Einkommen – das sind solche, die die Einkommensgrenze um bis zu 20 Prozent überschreiten – zahlen knapp acht Euro pro Quadratmeter.
Die Lösung aller Wohnraumprobleme ist die Erhöhung dennoch nicht: „Von den 6.000 Wohneinheiten, die wir überhaupt noch bauen können – mehr Platz gibt es hier gar nicht – wären wir im Idealfall also bei 3.000 neuen geförderten Wohnungen“, sagt Berbig. Zusammen mit den noch vorhandenen Sozialwohnungen hätte Norderstedt damit immer noch 2.000 Wohnungen weniger als benötigt. „Die Quote ist also nur ein Baustein“, sagt Berbig.
Mit seinem Votum stellt sich der Stadtrat gegen Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD). Die hatte vor anderthalb Jahren ein „Bündnis für Wohnen“ in Norderstedt ins Leben gerufen, bestehend aus Verwaltung, Politik und VertreterInnen der Wohnungswirtschaft.
Bereits vor zwei Jahren, sagt Berbig, sei allerdings mit den vier Fraktionen, die nun auch die Quote beschlossen haben, ein „Arbeitskreis Wohnen“ (AK) gegründet worden: „Die Oberbürgermeisterin hat das Bündnis ausgerufen, ohne mit dem AK darüber zu reden – da waren durchaus auch einige ihrer eigenen Parteigenossen erstaunt.“ Es habe dann zwar ein paar gemeinsame Veranstaltungen gegeben, aber es sei bis heute nichts Substanzielles geschehen. Nun habe eben die Politik eine Entscheidung gefällt.
Insgesamt scheint ihr Verhältnis zur Oberbürgermeisterin gestört zu sein: Im Sommer gab es Streit wegen eines neuen Stadtlogos und aktuell will die Stadtvertretung den finanziellen Spielraum von Roeder einengen. Auch die Verwaltungschefin selbst demonstriert nicht eben Einigkeit mit den StadtvertreterInnen: Es sei „bedauerlich, dass Teile der Politik jetzt das lokale Bündnis torpedieren“, teilte sie mit. Angesichts der Entscheidung werde es für sie nun „zu einer Herkules-Aufgabe, die verschiedenen Akteure im lokalen Bündnis für Wohnen wieder näher zusammenzuführen“.
Damit scheint sie Recht zu haben: Die beiden großen Wohnungsverbände VNW und BFW Nord erklärten jetzt „die Gespräche über ein Bündnis für das Wohnen in Norderstedt für beendet“. Der VNW vertritt auch die Wohnungsbaugenossenschaft Adlershorst. Die Quote hätte mit allen Akteuren gemeinsam besprochen werden müssen, sagt deren Geschäftsführer Uwe Wirries: „Aber das ist leider nicht geschehen.“ Er hält nicht viel von der neuen Regelung: „Entweder wandern die Investoren künftig in Nachbargemeinden ab oder sie vermieten den nicht gebundenen Wohnraum noch teurer als jetzt schon – ist das etwa sozial?“
Sollten Investoren wegbleiben, müsse man über die Schaffung eines kommunalen Wohnungsunternehmens reden, sagt Berbig: „Dafür gibt es allerdings leider noch keine politische Mehrheit.“ Er glaubt aber nicht, dass das geschehen wird: „Ich könnte mir eher vorstellen, dass sich die Nachbargemeinden inspirieren lassen und ihre Quote ebenfalls erhöhen.“
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