Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: So eine verlogene Show

Foto: Roberta Sant'anna

Was zur Hölle ist jetzt wieder eine Mami-Influencerin?“, frage ich meine Freundin, die PR-Beraterin, die gerade aus Berlin zu Besuch ist und von einem neuen Projekt erzählt.

„Das kommt aus dem Englischen: Mommy Influencer sind Mütter, die Hunderttausende Follower bei Instagram haben und Sachen aus ihrem täglichen Leben und Produkte posten. Einige verdienen damit Millionen.“

„Und was ist an deren Alltag so spannend?“

„Eigentlich gar nichts, aber wir haben Kooperationen mit denen, die machen dann eben Werbung für unser Produkt.“

„Was macht denn eine Mami-Influencerin besonders attraktiv?“

„Na, vor allem ihre Anzahl an Followern.“

„Aber wie bekommen sie diese hohe Anzahl an Followern?“

„Dadurch, dass ihr stressiger Alltag perfekt aussieht und das Muttersein eher wie ein fancy Lifestyle fernab der Realität wirkt. Die Mami muss auch mit ungewaschenen Haaren noch blendend aussehen und möglichst auch noch Sport machen, im besten Fall ist sie zudem ein Model.“

„Also eine Mami-Model-Fitness-Influencerin?“

„Ja, aber es braucht mehr als dummes straffes Fleisch, um eine gute Mami-Influencerin zu sein!“

„Was?“

„Herz. Sie sollte wie eine sehr, sehr liebe Person wirken, deren Liebe für ihre Kinder auf die ganze Welt abstrahlt, man muss sich von ihrer Liebe umarmt fühlen, dann ist es auch okay, wenn die Mami-Influencerin schöner ist als die Followerinnen selbst.“

„Du meinst, so eine verlogene Show frustriert die anderen Mütter gar nicht?“

„Vielleicht geht es dabei um den frommen Selbstbeschiss, das strapaziöse Leben als Mutter könne doch irgendwie Glanz haben. Das meiste an der perfekten Familienperformance ist natürlich Fiktion und die Mami, die ich jetzt als Klientin habe, ist privat ’ne dauerschlecht gelaunte Narzisstin, die alle anschreit. Auf ihrem Profil wirkt sie aber immer happy und megalieb.“

Ich bitte meine Freundin, mir ein paar Namen zu nennen, sehe mir die Sache selber an und werde schon nach wenigen Sekunden rammdösig von all dem strahlend sauberen Glück des bearbeiteten Lebens, von den Massen an Fotos von schönen Kindern, Eltern, Wohnungen, Autos, Gärten und Reisen. Ein glattes Bild folgt aufs nächste und dann gucke ich auf ihre Bilder von vor zwei, drei Jahren und da war auch schon alles sehr schön. Auf den Profilen der dazugehörigen Gatten posten diese ihre Mami-Influencer-Frau und wie sie zusammen Sport machen und als ganze Familie auf harmlose Demos gehen, sie streicheln weiche Tiere, essen Gutes und verlinken Freunde mit ebenso tollen Kindern und Leben.

Alle gesund, alle überglücklich und sie alle haben so wunderbar viel Geld und werden mit allen Mitteln dafür sorgen, dass es ihnen niemals ausgehen wird, damit sie für immer und immer in ihren Bildern verbleiben können. Ich lege mein Telefon beiseite und schließe die Augen, um endlich wieder an Schmutz und Furchtbares zu denken, an Frustration, Krieg, Explosionen und Wut, viel Wut.

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.