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KZ und Broiler-Zucht

Eine Ausstellung erzählt die Geschichte des Atommülllagers Morsleben

Von Reimar Paul

Als Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) 1977 Gorleben im Kreis Lüchow-Dannenberg als Standort für ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ benannte, ließ er sich weniger von fachlichen Erwägungen leiten. Er wollte vielmehr einen Standort in der Nähe der damaligen deutsch-deutschen Grenze, „weil die Ostzonalen uns die Geschichte mit ihrem Endlager Morsleben eingebrockt hatten“. So schilderte es der inzwischen verstorbene Geologie-Professor Gerd Lüttig der taz.

Ein Salzstock bei Morsleben, das in Sachsen-Anhalt nahe der niedersächsischen Grenze liegt, war seit 1971 Atommüllendlager der DDR. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung informiert derzeit mit Vorträgen und einer Ausstellung über die wechselvolle Geschichte der Anlage.

Um 1900 beginnt in Morsleben der Abbau von Kalisalz für die Landwirtschaft. Ab 1937 nutzt Görings Luftwaffe einen Schacht zur Lagerung von Flugzeugmunition. Ab Februar 1944 dient das gesamte Bergwerk der Rüstungsproduktion und als Außenlager des KZ Neuengamme. 3.000 bis 5.000 Häftlinge und Zwangsarbeiter werden zur Arbeit in der Schachtanlage gezwungen. Sie müssen Bauteile für Flugzeuge und Raketen zusammensetzen.

Während im Schacht Bartensleben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder bis 1969 Steinsalz gefördert wird, dient der Untertagebau des Schachtes Marie der Hühnermast. Zwischen 1959 und 1984 werden hier Zehntausende Broiler gezüchtet. Durch An- und Abschalten des Lichtes kann den Tieren ein um etwa eine Stunde verkürzter Tag vorgetäuscht werden, wodurch sie schneller wachsen.

Bereits 1965 hat unterdessen die Staatliche Zentrale für Strahlenschutz der DDR mit der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle begonnen. 1970 fällt die Entscheidung für Morsleben. Ein Jahr später werden „versuchsweise“ – die Asse in Niedersachsen lässt grüßen – erste Abfälle eingelagert, 1973 erfolgt die offizielle Benennung des Standorts. Mit dem Ende der DDR geht das Endlager in den Besitz der Bundesrepublik über. Auf die rund 14.400 Kubikmeter schwach und mittel radioaktiven Abfälle werden zwischen 1994 und 1998 unter Verantwortung der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) noch einmal gut 22.000 Kubikmeter gepackt.

Ähnlich wie in Asse wurde Atommüll auch in Morsleben unter teilweise haarsträubenden Bedingungen eingelagert. Große Mengen radioaktiver Flüssigkeit sickerten bis in die tiefen Schichten des Bergwerks. Feste radioaktive Abfälle wurden zum Teil lose oder in Fässern in Einlagerungshohlräume gekippt oder gestapelt. Dabei wurden auch Fässer beschädigt. Zudem ist das ganze Grubengebäude instabil und vom Einsturz bedroht. Mehrmals schon krachten tonnenschwere Salzbrocken von Zwischendecken herab. Derzeit läuft das Verfahren zur Stilllegung von Morsleben. Sie soll, Stand heute, rund 2,5 Milliarden Euro kosten.

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