Gerichte suchen reiche Studis

Tausende Studierende in NRW sollen Vermögen verschleiert und zu Unrecht Bafög erhalten haben. Viele wussten nichts von den Konten ihrer Familie. „Das sind doch nur Peanuts“ sagen ihre Vertreter

von SEBASTIAN KORINTH

Nordrhein-westfälische BAföG-Empfänger müssen sich auf Strafverfahren einstellen: Die Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke geht nach einer „groben Hochrechnung“ davon aus, dass rund 4.800 Empfänger der Ausbildungsförderung (BAföG) bei der Antragstellung eigene Vermögen verheimlicht haben. Erst 2004 entschied das Bayerische Oberste Landesgericht: Das ist Betrug und damit eine Straftat.

Die Chancen, erwischt zu werden, sind hoch: Seit April 2005 gleichen das Bundesamt für Finanzen, und die Studentenwerke, die eine bundesweite Förderungsdatei führen, ihre Daten ab. Auch Sparguthaben, Bausparverträge oder Wertpapiere, die Eltern für ihre Kinder eingerichtet oder erworben haben, werden dabei erfasst. Bei widersprüchlichen Angaben reicht das Studentenwerk Klage bei der Staatsanwaltschaft ein.

Nur selten handelt es sich dabei um vorsätzlichen Betrug. „Die Studenten argumentieren oft, sie hätten von einem Konto ihrer Eltern oder Großeltern nicht gewusst“, sagt Helga Fels, Sprecherin der Studentenwerke NRW, „und das stimmt teilweise auch.“ Gerade das wollen die Staatsanwälte überprüfen. „Wir werden genau gucken, wo die Gründe lagen. So etwas mag auch aus Vergesslichkeit passiert sein“, sagt Oberstaatsanwalt Peter Lichtenberg, Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf.

Ob es wirklich zu Anklagen kommt, hängt vor allem von der Höhe des unterschlagenen Betrags ab: Liegt dieser unter 1.000 Euro, wird das Verfahren nach Rückzahlung meist eingestellt. Wurde mehr Geld unterschlagen, können auch Tagessätze verhängt werden. Der Betroffene bleibt jedoch offiziell „nicht vorbestraft“.

David Hamme, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Paderborn, berichtet von kleinen Vergehen: Von rund 300 der Staatsanwaltschaft Paderborn bekannten Fällen seien die meisten „Peanuts“ gewesen. Viel mehr als die erlaubten 5.200 Euro habe kaum jemand der Betroffenen besessen. „Sollte jemand in größerem Stil betrogen haben, können wir das natürlich nicht gutheißen“, sagt Hamme, „denn das würde ja denen schaden, die‘s brauchen.“

Auch die meisten in Dortmund bekannt gewordenen Fälle gehen glimpflich aus. „Bisher haben wir bei 422 Verfahren nicht eine Anklage erhoben“, sagt Ina Holznagel, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Dortmund, „wir wollen den Studenten nicht all ihre Chancen verbauen.“ Über 90 Prozent der Studenten hätten ihr Vergehen eingeräumt und den Schaden beglichen. Insgesamt rechnet sie mit bis zu 700 Betrugsfällen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf geht von 1.500 Verfahren bis Jahresende aus, in Bochum laufen 850 Verfahren.

Die Uni Bonn will ihre Studenten nun frühzeitig warnen: Erstsemester werden über Infoblätter auf die drohenden Strafverfahren aufmerksam gemacht. Yvonne Dreisbach, zuständig für die Beratung der Antragsteller, appelliert: „Fragt eure Eltern ab! Fragt eure Großeltern ab!“