piwik no script img

Die großen drei

Disney, Warner und Apple könnten demnächst den Markt für Video-on-Demand unter sich aufteilen. Was das für die Zukunft von Serien „made in Europe“ heißt

Aus Cannes Wilfried Urbe

Disney und Warner – das sind zwei der größten Kino- und TV-Produzenten weltweit. Beide tun seit jeher nichts anderes, als Inhalte zu produzieren. Zu produzieren und zu verwerten. Und haben auf diese Weise riesige Archive aufgebaut, darunter sind Blockbuster wie „Star Wars“. Wenn solche Player ins Geschäft mit Video-on-­Demand (VoD) einsteigen, dann ist das eine Ansage. Dazu kommt am ersten November noch ein weiterer Akteur: Technologiegigant Apple mit seiner Plattform Apple+. Der kalifornische Hard- und Softwareentwickler verfügt über direkten Zugang zu Kunden rund um den Globus, er vertreibt nicht nur die Inhalte, sondern auch die Geräte, auf denen sie gesehen werden. 220 Millionen iPhones waren es beispielsweise allein letztes Jahr.

„Sie werden das Fernsehgeschäft noch einmal drastisch verändern“, kommentiert Laurine Garaude das Herannahen dieser drei Medienkolosse auf dem Streaming-Markt. Ga­raude ist die Chefin der weltgrößten Fernsehmesse, der Mipcom, die gerade in Cannes zu Ende gegangen ist.

Und dort war besonders spürbar, dass das traditionelle Fernsehsystem nur noch eine Option von vielen ist. Selbst die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender wollen nun Inhalte nur für ihre Mediatheken anbieten. Im letzten Jahr hatten weltweit über 300 neue Serien und Filme ihre Premiere auf einer Videoplattform – und nicht im klassischen Fernsehen.

Dass es überhaupt so weit gekommen ist, ist eigentlich Netflix zu verdanken. Mit seinen nunmehr über 150 Millionen Abonnenten hat der Streaming-Anbieter praktisch den Weg für VoD geebnet. Doch droht Netflix nun selbst abgelöst zu werden.

Netflix veranschlagt sein Programmbudget für das Jahr 2019 auf 15 Milliarden Dollar pro Jahr, Märkte wie Indien werden als Wachstumstreiber gesehen. Auch wenn sich das Budget erst einmal eindrucksvoll liest, es muss damit der gesamte Weltmarkt versorgt werden. Jede Folge der Serie „The Crown“ zum Beispiel kostet 13 Millionen Dollar. Zudem ist das Unternehmen mit über 20 Milliarden Dollar hoch verschuldet und damit eigentlich ein Übernahmekandidat. Darüber wurde auch in Südfrankreich fleißig spekuliert: Ob möglicherweise bald Warner, Disney oder Apple den Konkurrenten kaufen.

Die größten Nutznießer dieser Situation sind die Film- und Fernsehproduzenten, unter denen eine regelrechte Goldgräberstimmung ausgebrochen ist. „Innerhalb der nächsten zwölf Monate wird sich der gesamte Streaming-Markt stark verändern“, sagt Produzent Oliver Berben: „Unter anderem über unsere Niederlassung in Los Angeles verhandeln wir bereits seit längerer Zeit mit sämtlichen großen Playern über konkrete Großprojekte.“ Nicht nur für ihn sei die Zusammenarbeit besonders interessant, weil diese Plattformen direkt den kompletten Weltmarkt im Blick haben.

Auch Michael Souvignier von Zeitsprung hat die aufwendige ARD-Serie „Oktoberfest“, die an der Côte d’Azur unter dem Titel „Empire Oktoberfest“ angeboten wird, direkt mit Blick auf die globale Vermarktung konzipiert: „Wir haben den Film mit internationalen Standards gedreht, und das Oktoberfest ist ja mittlerweile eine Marke wie Coca-Cola, jeder auf der Welt kennt es.“

Netflix hat den Weg für VoD geebnet, droht nun aber abgelöst zu werden

Für die großen Sendergruppen dagegen dürfte das Geschäft jetzt noch härter werden, auch wenn sie eigene Plattformen betreiben. Denn die großen Hollywood-Lieferanten, darunter eben Disney sowie Warner, sind immer weniger bereit, ihre Blockbuster an beispielsweise ProSieben oder RTL zu verkaufen.

ProSiebenSat.1-Chef Max Con­ze bekennt jedenfalls, dass Disney-Blockbuster, die bisher an die Münchner Gruppe gegangen sind, zukünftig wohl eher auf deren eigener Plattform landen werden. Jedi-Ritter werden dann wohl kaum noch bei den Münchnern zu sehen sein.

Dadurch, so schätzt es Moritz von Kruedener vom Rechtevertrieb Beta Film ein, wird es mehr Raum für europäische Projekte geben: „Wir gehen davon aus, dass noch viel mehr große Produktionen aus Europa heraus für den Weltmarkt produziert werden. Möglicherweise dann auch mit Partnern aus den USA, die aber im Gegensatz zu früher eher als Ko-Produktionspartner auftreten.“

Warner-Media-Chef Robert Green­blatt jedenfalls, einer der einflussreichsten Medienbosse der Welt, will für die Plattform, die er jetzt startet, auch gern mit Partnern aus dem Ausland zusammenarbeiten. Denn: „In der globalen Welt gibt es keine geschlossenen Systeme mehr.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen