Vom Ausbleiben und Überfluss des Glamours: Alexander Knappe war mal Leichtathletiker, Siminia Grigoriu ist mehr als Frau Kalkbrenner

Alexander Knappe? War das nicht der Typ, der mal diese Casting-Show gewonnen hata, wie hieß die gleich noch? Nein, auch wenn sich selbst Dieter Bohlen nur mehr schemenhaft an den allerersten Sieger von „Deutschland sucht den Superstar“ erinnern kann, aber der hieß Alexander Klaws. Knappe ist allerdings nicht nur Namensvetter und ebenfalls Schwiegermuttertraum, sondern hat auch Casting-Show-Erfahrungen gesammelt. Er musste sich zwar nicht von Bohlen beschimpfen, sondern bloß von „Mentor“ Till Brönner beraten lassen, aber dafür lieferte der 25-Jährige „X Factor“ ein paar werbeträchtige Boulevard-Schlagzeilen: Aus konstruiert wirkenden Gründen täuschte der gebürtige Cottbuser einen Kreuzbandriss vor, humpelte zum Casting, wurde enttarnt und flog aus der Serie.

Ja, so sehen sie aus, die Geschichten, die das Popgeschäft heutzutage schreibt. Jetzt versuchen ein großer Entertainmentkonzern und Alexander Knappe seinen Ruhm als „Lügen-Kandidat“ (Bild) auch noch gründlich auszunutzen. „Zweimal bis unendlich“ heißt das Album und beweist, dass Knappe dem Kollegen Klaws immerhin eins voraus hat: Er heißt zwar wie ein Metzger, aber kann fast so knödelig singen wie Xavier Naidoo und nahezu so verzweifelt schmachten wie Philipp Poisel. Zwischen diesen beiden Polen, zwischen Soul und Singer/Songwriter, bewegt sich Knappe, wenn er Songs singt, in denen der Protagonist „dem Horizont entgegen“ fährt und „der Himmel voller Geigen“ hängt. Für solche textlichen Ergüsse lässt er seine Stimme mal, wie in „Sing mich nach Hause“, in den Wohlklang eines Streichquartetts betten, mal muss sie, nur begleitet von Klavier in „Was ich singe“, sich selbst behaupten.

Das Ergebnis ist solide Hausmannskost, die gut zum biederen Image des Interpreten passt. Denn auch wenn die Plattenfirma Alexander Knappe mit den altbewährten, aber zuletzt eher erfolglosen Methoden zum Star aufbauen will und dazu Informationen mit vermeintlichem VIP-Effekt streut (in der Jugend Leichtathletik in einer Trainingsgruppe mit Robert „Sexy“ Harting, später Jugend-Fußball bei Energie „Extrem sexy“ Cottbus), dem Kandidaten fehlt ganz eindeutig: der Glamour.

Den hat dafür Siminia Grigoriu im Überfluss: Von ihrer Hochzeit berichtete vor wenigen Tagen sogar die Presse. Dass die Tatsache, dass bei der Trauung im kleinen Kreis in Brandenburg Musik aus der rumänischen Heimat der Braut gespielt wurde, Beachtung in „Bild“ fand, mag aber auch am Bräutigam gelegen haben: Der heißt nämlich Paul Kalkbrenner und verdient, genauso wie die 31-jährige Grigoriu, sein Geld mit Plattenauflegen.

Mit „Exit City“ beweist Grigoriu nun, dass sie sich hinter ihrem Angetrauten nicht zu verstecken braucht: Ihre eigenen Tracks sind lange nicht so üppig, aber dafür mit mehr kleinen Details versehen, die zwar nicht allzu sehr von der stets geradeaus programmierten Techno-Bassdrum ablenken, aber dafür vor Langeweile schützen. Hier will sich jemand nicht nur auf den Glamour verlassen.

THOMAS WINKLER

■ Alexander Knappe: „Zweimal bis unendlich“ (Ferryhouse/Warner), live am 4. 12., Frannz

■ Simina Grigoriu: „Exit City“ (Susumu/Rough Trade), live am 6. 9. im Watergate