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Das Neueste aus Autochtonia

Auch wenn es in Zeiten von Ibiza-Video, FPÖ-Spesenaffäre und ÖVP-Spendenaffäre verdammt schwer ist, die politische Wirklichkeit in Österreich mit Kabarett zu toppen, die Staatskünstler wagen den Versuch

Von Ralf Leonhard

In Zeiten von Ibiza-Video, FPÖ-Spesenaffäre und ÖVP-Spendenaffäre ist es schwierig, die politische Wirklichkeit mit Kabarett zu toppen. Die Staatskünstler unternehmen es trotzdem. Und das Experiment gelingt dank der bewährten Technik, mit Originalzitaten zu arbeiten und diese bereits skurrile Wirklichkeit satirisch zu überhöhen. Vor einem vollen Saal im Wiener Rabenhof Theater debütierten die Staatskünstler vergangenen Freitag mit ihrem neuen Programm „Jetzt erst recht!“ Der Titel ist von der FPÖ entliehen, die mit diesem Slogan bei den EU-Wahlen im Mai Schadensbegrenzung betreiben konnte. Ein Anlass für die Kabarettisten, sich mit der FPÖ-Fangemeinde zu befassen, deren Anzahl wohl nicht zufällig mit der der funktionellen Analphabeten übereinstimme. „Es gibt Analphabeten, die trotzdem schreiben können.“ Ein (echter) Tweet von einer gewissen Anni E. belegt diese Analyse eindrucksvoll.

Bei den Nationalratswahlen vom 29. September stürzten die Rechten dann doch gewaltig ab, während Ex-Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP dank der frustrierten FPÖ-Sympathisanten einen unerwartet hohen Triumph einfahren konnte. Nur wenige Tage später hat das Kabarettistentrio bereits die schwierigen kommenden Koalitionsverhandlungen vorweggenommen. Die Staatskünstler, das sind Florian Scheuba, Thomas Maurer und Robert Palfrader, die unter diesem Namen seit 2011 gemeinsam auftreten und bis 2013 auch einen festen Sendeplatz im ORF hatten.

Ihren Einstand in dieser Formation feierten sie vor einem prall gefüllten Auditorium Maximum der Uni Wien, wo sie die Telefonprotokolle von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und dessen Vertrautem und Lobbyisten Walter Meischberger verlasen. Das Gespräch, das für Lachorgien im Publikum sorgte, hatte vor einer Vernehmung durch die Polizei stattgefunden. Es ging um eine Millionenprovision, die Meischberger bei der Privatisierung einer bundeseigenen Wohnbaugesellschaft kassiert hatte.

Einige Zitate aus der verzweifelten Absprache zwischen den beiden Verdächtigen sind inzwischen in den österreichischen Sprachschatz übergangen. Etwa so wie das „Zackzackzack“, mit dem Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video bei der Kronen Zeitung Redakteure austauschen wollte, sobald eine oligarchische Spenderin das Boulevardblatt übernommen hätte.

Das Ibiza-Video inspirierte auch einen nachgestellten Film in flimmerndem Schwarz-Weiß, in dem Hitler mit seinem Platzhalter in Österreich, Arthur Seyß-Inquart, in einer Villa am Starnberger See heimlich gefilmt werden. Hitlers Plan, zuerst Polen und dann den Rest der Welt zu unterwerfen, ist mit Originalzitaten aus dem Ibiza-Video gespickt.

Der Blick in die Zukunft

Nach diesem Blick in die Vergangenheit wagen die Staatskünstler auch einen Blick in die Zukunft, für den sie Virtual-Reality-Brillen aufsetzen. Da sehen sie Autochtonia, „die erste durchpatriotisierte Österreich-zuerst-Matrix“. FPÖ-Ex-Innenminister Herbert Kickl ist dort mit absoluter Mehrheit ausgestatteter ­Bundeskanzler, der inzwischen die Chem-Trails entgiftet hat und damit für gute Luft sorgt. Das Parlament wurde durch einen Senat ersetzt, in dem Milliardäre sitzen, die sich durch Parteispenden verdient gemacht haben. In Wien gibt es eine City-Maut: für Radfahrer und Fußgänger. FPÖ-Bürgermeister Dominik Nepp hat eine sechsspurige Autobahn bis zum Stephansplatz bauen lassen. Sebastian Kurz, der längst einen gut dotierten Posten in der Privatwirtschaft innehat, hat längst die Klimakrise gelöst, indem er die Migrationsbewegung als Hauptverursacherin von Treibhausgasen identifiziert und gestoppt hat.

Zur Vorgehensweise der Staatskünstler gehört es auch, Skandalen durch Vor-Ort-Besuche nachzugehen. Diesmal geht es um ein als Motorradmuseum deklariertes Verkaufs- und Veranstaltungsgebäude der Firma KTM, die vom Land Oberösterreich eine Millionensubvention aus dem Kulturbudget keilen konnte, während die kleinen Kulturinitiativen finanziell trockengelegt wurden. KTM-Chef Stefan Pierer zählte 2017 zu den größten Spendern von Sebastian Kurz.

Sollte man es nicht gewusst haben: Diese drei Männer, die leichtfüßig alle maßgeblichen Politiker der Lächerlichkeit preisgeben, sind keine Freunde der vergangenen ÖVP-FPÖ-Regierung. Sebastian Kurzens Versuche, sich bei den Millennials als cooler Typ anzubiedern, sind zum Schreien.

Da man sich aber nicht dem Vorwurf der politischen Einseitigkeit aussetzen will, wird auch die andere Seite nicht geschont. So wird die Lage der von den Wählern mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte gedemütigten SPÖ als Krisensitzung in einer Regenschirmfabrik dargestellt. Trotz jahrelangen Dauerregens kann sie ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Den Lösungsvorschlag eines Managers hat man bei der SPÖ nach jeder Wahlschlappe gehört: „Wir müssen unsere Inhalte besser kommunizieren.“ Darauf der Direktor: „Welche Inhalte?“

Teile des neuen Programms haben übrigens schon in das vom Trio am Premierenabend lancierte Buch „Wir Staatskünstler. Das Buch zum Staat“ Eingang gefunden.

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