: Aufstand der Aufsichten
Am Münchner Haus der Kunst soll Personal outgesourct werden. Dessen kreativen Widerstand bekämpft die Geschäftsführung in Person von Bernhard Spies auf drastische Weise
Von Patrick Guyton
Sie sammeln Fotos, sie haben schon viele. Prominente aus dem Kulturbetrieb sind abgebildet mit einem Button, der die Aufschrift trägt: „NO OUTSOURCING, save the guards of hdk“ – rettet die Aufsichten im Haus der Kunst. Die Bildhauer El Anatsui und Ai Weiwei haben mitgemacht, der Fotograf Thomas Struth, der Kurator Chris Dercon, die Künstlerinnen Kiki Smith und Miriam Cahn, die Schauspielerin Senta Berger. Auch Markus Lüpertz, der gerade eine große Ausstellung vor Ort hat. Im Münchner Haus der Kunst (HdK), seit Jahren geplagt von verschiedensten Problemen, rebellieren nun große Teile der Belegschaft gegen den Geschäftsführer Bernhard Spies. „Es ist ein legitimer Arbeitskampf mit kreativen, künstlerischen Mitteln“, sagt etwa die Aufsicht Caroline Topp, die 15 Stunden in der Woche in den Ausstellungsräumen arbeitet. „Gerade unserem Haus steht diese Form sehr gut.“
Die Aufsichten, die Kassenkräfte, die Leute an der Pforte – nach den Plänen des Geschäftsführers sollen sie alle, gegenwärtig 46 Personen, nicht mehr beim HdK angestellt sein, sondern über einen Personaldienstleister beschäftigt werden. Oder aber gehen. Es handelt sich um zwei Drittel der Angestellten insgesamt. Man spricht von Outsourcing, einem Zauberwort der neoliberalen Ideologie. Diese erreicht nun auch das einstige Nazigebäude am Münchner Eisbach, das im Wesentlichen vom Freistaat Bayern getragen wird und weiterhin weltweite Strahlkraft in Sachen Gegenwartskunst besitzt.
Zur völligen Eskalation kam es vor drei Wochen, als plötzlich Ai Weiwei, Künstler von Weltrang, im HdK stand. Er steckte sich den Protestbutton an die Jacke und wollte aus Solidarität mit den Beschäftigten eine Stunde lang Kartenabreißer bei der Lüpertz-Ausstellung sein. Direktor Spies, der von der Aktion nichts wusste, kam dazu. Die Darstellungen darüber gehen auseinander, ob Ai Weiwei aus dem Haus gebeten oder geworfen wurde.
Dass man mit einem Kunststar, der zudem einst in China inhaftiert war, nicht so umgehen kann, sah Spies nicht ein. Am 18. September schrieb er in einer Mail an die Belegschaft von einer „nicht genehmigten Demonstration“, die das Ziel gehabt habe, „dem Ruf des Hauses der Kunst zu schaden“. Jenen, die daran beteiligt waren, droht er mit Kündigung. Weiter schreibt er über eine namentlich genannte Beschäftigte: „Leider sind schlechte Leistungen in Deutschland kein Kündigungsgrund.“ Die Mitteilungen des Geschäftsführers tragen den Duktus von Wut und Drohung.
Tags darauf folgte die Abmahnung des gesamten Betriebsrats. Das Gremium habe von der Ai-Weiwei-Aktion gewusst, aber die Geschäftsführung nicht informiert und damit „eine Rufschädigung des Hauses billigend in Kauf genommen“. Der Betriebsrat, der als Einheit sprechen möchte, klagt, der Geschäftsführer versuche „die Mitarbeiter zu spalten“, es herrsche „riesige Angst“.
Im Gespräch mit der taz sagt Bernhard Spies, der seit Frühjahr vergangenen Jahres tätig ist: „2017 war das Haus de facto insolvent, Ende 2018 haben wir mit Mühe die schwarze Null geschafft.“ Die betroffenen Kräfte bekommen einen Stundenlohn von 9,83 bis 11,84 Euro. Die Höhe der Gehälter sei nicht das Problem, sondern die flexiblen und sehr passgenau zugeschnittenen Verträge. So gebe es Beschäftigte mit nur 2,5 oder 4,5 Stunden Wochenarbeitszeit. „Das ist ein riesiger Organisationsaufwand.“ Unter 20 Stunden möchte er niemanden anstellen.
Das Personal im HdK stellt sich aber als ziemlich einzigartig dar. Die meisten sind selbst Künstler oder Kunstinteressierte, die dort nebenbei arbeiten. „Wir sind ein Haufen von Verrückten“, sagt Caroline Topp, „die wahnsinnig gern in diesem Haus sind.“ Es mache Spaß, „Besucher in die Welt der modernen Kunst zu führen“. Ihre Kollegin Regina Hochdörfer von der Kasse berichtet, dass sie täglich von Besuchern gefragt werde, welche Ausstellung sie empfehle. Solches Personal bekomme man nicht mit Leiharbeitern im Niedriglohnsektor, so der Betriebsrat.
Federführend zuständig ist das bayerische Kunstministerium. Ressortchef Bernd Sibler (CSU) verlangt „sozial vertretbare Lösungen“. An diesem Montag verhandeln Arbeitgeber und Betriebsrat vor der Einigungsstelle – einer Art Schlichtung – zum dritten und letzten Mal.
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