Wirklich alles inklusive

Mit Thomas Cook ist diese Woche einer der größten Anbieter für Pauschalreisen pleitegegangen. Fünf taz-RedakteurInnen berichten von den ganz eigenen Reizen solcher Urlaube

Sonne, Meer und viele Extras – Pauschalreisen sind immer für eine Überraschung gut Foto: Martin Parr/Magnum Photos/Agentur Focus

Aufgewacht am Ballaballamann

Es gibt viele Ziele für Pauschaltouristen. Aber nur ein Belek. Was diese eigentlich eher unscheinbare Betonsiedlung an der Türkischen Riviera so besonders macht, erfuhren wir beim ersten Frühstück in einem All-inclusive-Areal, das wir erschöpften Kleinkindereltern aus Bequemlichkeit ohne weitere Recherchen gebucht hatten.

Mit uns drängelten sich am Büfett: eine komplette russische Erstligatruppe, ein finnisches Frauenteam, die U-21-Nationalmannschaft von Südkorea und mindestens zweihundert andere Fuß- und Handballer in Sportswear, die offenbar alle ihr Trainingslager ausgerechnet in unserem Hotel aufgeschlagen hatten. Nach der schnellen Flucht an den Strand sahen wir auch hier: Trainingsanzüge bis zum Horizont.

Kein Wunder, dafür ist Belek gemacht: ein Hotel neben dem anderen, alle mit Fußballfeld und noch grünerem Golfplatz für die Manager ­inklusive. Ein Paradies für Klubs, die auch im Winter warm trainieren wollen, halbwegs billig und kulinarisch geschmacksneutral. Dass man als Normalotourist aufpassen musste, auf dem Weg zu einem freien Fleckchen Sand nicht von joggenden Horden überrannt zu werden – geschenkt. Unsere Kinder sind zum Glück genauso fußballverrückt wie dieser Ballaballamann der Türkei.

Ob Belek trotz Erdoğan und Flugscham noch so beliebt ist? Irgendwann will ich mal wieder hin. Am besten mit dem ganzen taz Panter FC.

Lukas Wallraff

Unverhofftes Upgrade

Vor ein paar Jahren kam ich in eine ungewohnte Situation: Ich hatte zu viel Geld. Weil ich in meinem Kaff in Hessen kaum Miete bezahlte, hatte sich durch Hiwi-Job und Kindergeld einiges angesammelt. Einiges waren 500 Euro. Ich buchte eine Pauschalreise: sechs Tage tunesische Küste im April.

Als ich Monate später dort landete, war es so heiß wie erhofft. Endlich Urlaub. Ganz beseelt folgte ich dem Schild des Reiseunternehmens und schleppte mein Gepäck zum Bus. „Name des Hotels?“, fragte mich der Busfahrer. Ich nannte ihm den Namen, er fragte er ein paarmal nach, dann lachte er. Er ging zum nächsten Busfahrer, der ebenfalls lachte. „Das Hotel gibt es längst nicht mehr.“ Einsteigen solle ich, dann werde man ­sehen.

Einsteigen? Na gut. Gemeinsam mit circa dreißig anderen Urlauber:innen betrat ich den Bus, total planlos. Ich befürchtete, nun ewig Runden im ­Urlaubsbus zu fahren.

Der Busfahrer telefonierte und telefonierte. Mit wem er sprach, verstand ich nicht. Über was er sprach? Keine Ahnung.

Nach zwei Stunden waren etliche Urlauber:innen an ihren Hotels ausgestiegen. Mich fuhr er zu seinem letzten Halt: einem 4-Sterne-Hotel mit Springbrunnen im Foyer. Ein Upgrade. Gebucht hatte ich nur 3 Sterne. Nicole Opitz

Dolmades. Trotzdem

Rhodos, Insel der Kontraste, irgendwas zwischen Badespaß und Kultur, pulsierende Orte, stille Strände. Hatte nicht Jahn-Reisen einen Trip dorthin ungefähr so angekündigt?

Egal, klang attraktiv, Sonne im Süden, irgendwann Anfang der Neunziger war es, meine Eltern, mein jüngster Bruder und ich. Und wie praktisch: Ins Reisebüro gehen und eine Reise mitnehmen, so machte man das damals, wir zum ersten Mal. Überhaupt ist der Pauschalreisende ja ein Mit­nehmer.

Am Abend des Ankunfts­tages in unserem kleinen Hotel gab es von Elke Schumacher – „Ihrer freundlichen Jahn-Reisen-Betreuerin“ – ein paar Infos über Land und Leute. Mit wehendem Haar im grünen Jahn-Reisen-Kostüm stand Schumacher da und brachte uns unsere Urlaubsinsel näher. Was man da so isst – Fleischspießchen, „Su-vla-ki ausgesprochen“, gefüllte Weinblätter, „Dol-ma-des, die müssen Sie unbedingt probieren“ –, sie lobte Weine und empfahl Retsina mit Sprite, also diesen geharzten Wein mit süßer Limo (hm, na ja) und wies auf die Jahn-Reisen-Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten hin („Lindos, ein Traum!“).

Im Verlaufe ihres Vortrags kam uns Rhodos immer exotischer und fremder vor, weil die freundliche Reisebetreuerin die Insel und die Lebensweise ihrer Bewohner als etwas Fremdes und sehr Exotisches darstellte. Frau Schumacher konnte aber gar nicht anders, sie musste Rhodos als etwas Geheimnisvolles malen, für dessen Erkundung es jemanden brauchte wie sie, der einen sicher geleiten würde. Genau darauf beruhte doch stets der Erfolg von Pauschalreiseveranstaltern.

Wir entschieden uns, alle Angebote liegen zulassen, keine Mitnehmer zu sein, sondern die Insel selbst zu erkunden. Wir fuhren einfach drauflos. Wir folgten einem Wegweiser, auf dem stand „Alte Kirche Fun­dougli“ oder so, und kamen an einen Ort, an den uns der Reiseveranstalter nie geschickt hätte. Wir saßen in einem Restaurant und aßen Dolmades. (Die hätten wir auch ohne Frau Schumacher bestellt.)

Der Urlaub endete mit einer Tour auf viel zu schnellen Mietmotorrädern (ohne Helm!). Jahn-Reisen hatte uns hergebracht, aber wir hatten uns befreit.

Felix Zimmermann

Wie ein König

Aus dem Transferbus vom Flughafen sah ich kleine Windmühlen, mit denen die Bauern das Wasser aus dem Boden holten. Der Reiseleiter, der sich als „Jesus“ mit Vornamen vorstellte, erzählte, dass der König von Spanien hier auch Urlaub macht. Ein König! Ich sah ein Licht, das ich vorher nicht kannte. Ich drückte mir die Nase platt am Fenster und nahm mehr Eindrücke auf, als ich es sonst in einem ganzen Jahr tat. Ich sah eigentümlich altmodische Autos, Palmen und staubige Schotterpisten. Später huschte eine riesige Kirche vorbei.

Mallorca, Ostern 1983: Sieben Tage Halbpension und drei Sterne mit „Neckermann und Reisen“. Ich las Straßenschilder in einer geheimnisvollen Sprache: Camp de Mar, Puig Major. Die Mutter klärte auf: Das ist katalanisch. Wir fuhren mit einem Boot in eine Grotte, das Wasser war azurblau erleuchtet.

Ohne Pauschalreise hätte ich als Kind nie Südeuropa kennengelernt. Auf eigene Faust in den Süden? Undenkbar für meine Eltern, viel zu umständlich und teuer.

Neulich war ich mit dem Sohn wieder auf Mallorca. Wandern in den Bergen, abends ein riesiges Büfett im Hotel mit lauter Engländerinnen in Highheels samt Gatten in Badelatschen. Die Windmühlen sind weg, das Licht ist aber immer noch da. Gunnar Hinck

Am Ende haben alle gekotzt

Es sollte warm und bequem sein, denn es war Winter und wir hatten sehr kleine Kinder, gerade mal ein halbes Jahr alt. Der Mann im Reisebüro sagte: „Fliegen Sie nach Marokko, an den Strand, nach Agadir. Genau das Richtige für Sie, ich habe hier ein wunderbares Resort für Sie, all-inclusive, also ein Preis für alles.“

Resort? Pauschalreise? Hatten wir noch nie gemacht. Aber warum eigentlich nicht? Wir, das waren zwei befreundete Familien mit jeweils einem Baby, die dem Berliner Winter mal kurz entfliehen wollten. Sonne, lesen, quatschen und sonst nichts tun, außer sich ums Baby kümmern.

So war es auch: Wir lümmelten am Strand, die Babys auf dem Bauch, aßen (für junge Eltern ­ungewöhnlich) regelmäßig und meist in der „Erlebnisgastronomie“: arabisch, spanisch, ita­lienisch. Abends tranken wir vor den schneeweißen Bungalows (alkoholfreie) Cocktails und begafften den Mond, der in Afrika anders­herum liegt.

Nach vier Tagen fanden wir das langweilig und beschlossen, einen Ausflug zu machen. Auch das mussten wir nicht organisieren, am Resorteingang boten junge marokkanische Männer Kamel- und Eseltouren an. Wir ritten ins Landesinnere, machten Stopp an einer Bananenfarm, bei einer Hennamalerin und in ­einem verfallenen Palast. Dort luden uns Frauen und Männer in traditioneller Kleidung zum Essen ein. Es gab Reis, Gemüse, Hähnchenschenkel, versunken in Öl. Das schmeckte großartig, hatte aber ein Nachspiel. Am Ende haben wir alle gekotzt.Simone Schmollack