Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet:
Im Rückblick auf das europäische Kino der frühen 1960er Jahre erscheint das Thema des Intellektuellen in der Krise wie ein genuin italienisches Genre. Die Unbekümmertheit der Wirtschaftswunderjahre war vorbei, urplötzlich erwachten Reporter, Schriftsteller und Regisseure in den Filmen von Fellini und Antonioni jener Gesellschaft entfremdet, die sie hervorgebracht hatte. Alles kam auf den Prüfstein – und schien vergeudet. Zugleich zeigten sich die Filme auch fasziniert vom vitalen Leerlauf, den sie beschrieben: Keine Stadt ist schöner dekadent als Rom. 2013 legte Paolo Sorrentino mit „La grande bellezza“ einen Film wie ein zeitgenössisches Update vor, übertragen auf die Bunga-Bunga-Welt von Berlusconis Italien. Geprägt vom Rückblick des abgeklärten Gesellschaftsreporters Jep Gambardella (Toni Servillo) auf ein Leben, das ihm leer und verschwendet erscheint, steht dem hektischen Takt exzessiven Feierns dabei das elegische Flanieren des Society-Königs mit einem breit gefächerten, manchmal durchaus satirisch angelegten Reigen menschlicher Beziehungen gegenüber. In seiner ausgeklügelten Inszenierung und den fantastischen Breitwandbildern von Kameramann Luca Bigazzi eine Augenweide: Wenn nach durchfeierter Nacht die leeren Gläser am Rande der Dachterrasse stehen und hinter einer riesigen Martini-Reklame das erste Morgenlicht durchschimmert, dann möchte man sofort nach Rom fahren. Zu sehen ist „La grande bellezza“ im Rahmen der Reihe „Roma barocca“, eine Einführung hält die Kunsthistorikerin Sabina Magnani von Petersdorff (5. 10., 19.30 Uhr, Filmmuseum Potsdam).
Für das Begreifen der Welt ist die kindliche Frage nach dem Warum absolut essenziell, doch die Erwachsenen kann das auch ganz schön in die Bredouille bringen. In Michel Ocelots von westafrikanischen Märchen inspiriertem Zeichentrickfilm „Kiriku und die Zauberin“ (1998) hinterfragt der selbstbewusste kleine Kiriku nämlich die Rollenklischees und den traditionellen Aberglauben seiner Gemeinschaft, während er dem Geheimnis der Zauberin Karaba auf die Spur kommt (5. 10., 16.30 Uhr, Wolf Kino).
Bert Brecht als Splatterfilmer? 1923 drehten Brecht, Erich Engel und Karl Valentin die surreale Groteske „Mysterien eines Frisiersalons“, in der Kunden des besagten Salons versehentlich auch schon mal den Kopf verlieren. Der Kurzfilm läuft beim „Stummfilm um Mitternacht“ in Ergänzung des Programms „Brecht in echt“, die neben Brecht-Verfilmungen für das Kino eine Vielzahl weniger bekannter Fernsehinszenierungen aus Ost und West präsentiert (5. 10., 23.59 Uhr, Babylon Mitte).
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