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Jasmin RamadanEinfach gesagtNur Gott kann man nicht blockieren

Foto: Roberta Sant'anna

Warum interessiert sich niemand mehr für Scientology?“, fragt die junge Frau in der Shisha Bar.

„Weil es Schlimmeres gibt“, sagt ihre Freundin und pustet einen Schwall Rauch aus, der nach Apfel riecht.

„Stimmt, den Islamischen Staat zum Beispiel und Donald Trump.“

„Die Kardashians!“

„Die sind doch harmlos.“

„Harmlos? Das ist die schlimmste Sekte !“

„Ach, mit Lipgloss macht man doch niemandem Angst.“

„Die sind stinkreich und sagen armen Frauen, wie sie sein und aussehen müssen, jeden Tag Bauch-Beine-Po und du kommst ins Nirwana oder so.“

„Stimmt, als mein Freund Schluss gemacht hat, dachte ich, jetzt muss ich ins Fitnessstudio und mir einen Rachekörper antrainieren.“

„Rachekörper? Hä? Schlottert der Ex dann, weil man abgenommen hat?“

„Womit droht Scientology?“

„Die haben was dagegen, wenn man nicht genug Teil der Gruppe ist und du musst denen viel von deinem Geld geben.“

„Das ist bei jeder Religion so, du befolgst alle Regeln, dann gehörst du dazu und wenn du was Abweichendes machst, wirst du gemobbt, fliegst du raus oder wirst umgebracht.“

„Wozu braucht man überhaupt Religion?“

„Um sich aufgehoben zu fühlen?“

„Für die innere Ordnung!“

„Ja, wie oft fragt man sich, bleib ich Daniel treu oder fang’ich was mit Stanislaw an … wär’ich jetzt zum Beispiel streng Moslemfrau, wär’die Sache glasklar. Dann wär’ich stressfrei unberührt.“

„Du meinst, das wär’toller?“

„Das werd’ich nie erfahren.“

„Sind die Kardashians religiös?“

„Nee, die sind sich selber ihre Religion, aber wenn, dann wären die bestimmt eher Scientology als Islam, die haben alle so schöne Haare.“

„Es tragen doch nicht alle islamischen Frauen Kopftuch.“

„Ja, aber die Kardashians würden es durchziehen. Die sind ganz oder gar nicht.“

„Haben die Scientologys einen Gott oder sowas?“

„Tom Cruise?“

„Nee, das war so ein schlechter Schriftsteller.“

„Der war eher so ein Guru.“

„Guru ist aber Hinduismus.“

„Oder Sport. Es gibt etliche Fitnessgurus.“

„Ich bräuchte dringend so einen personal Fitnessguru, um es durchzuziehen, so einen, der immer neben mir sitzt, guckt was ich esse oder ob ich mein Nachmittags-Workout durchziehe.“

„Das ist das Tolle an Religion, du ziehst alles durch, weil du glaubst, du wirst beobachtet. Da ist immer wer, der sich dafür interessiert, was du tust.“

„Jemand, der über dich wacht!“

„Da reicht mir meine Mutter, die hat mir heute schon zehn Nachrichten geschrieben und mich dreimal angerufen.“

„Blockier’sie doch.“

„Das kann ich nicht.“

„Klar kannst du. Nur Gott kann man nicht blockieren, das macht ihn zum Original!“

„Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.“

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