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Archiv-Artikel

Der Papst verpisst sich

SATIRE Vatikan macht gegenüber „Titanic“ einen Rückzieher

Man mag die Titanic dafür schelten, dass sie viel Theater um sich selbst macht. Von „Selbstdarstellung“ war wieder die Rede, als das Satireheft seinen Protest gegen juristische Maßnahmen des Vatikans inszenierte, das Vorgehen der Gottesleute gegen das Doppelcover der Juliausgabe wurde mit dem Kampf der russischen Justiz gegen die Band Pussy Riot verglichen, und, klar, die Hexenverbrennung musste auch vorkommen. Fakt ist: Die Titanic-PR hat funktioniert. Der Vatikan hat den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgenommen; die Auseinandersetzung, ausgelöst durch zwei für Papst Benedikt wenig schmeichelhafte Abbildungen, mit denen das Magazin auf die „Vatileaks“-Affäre eingegangen war, ist beendet, Damit wurde ein von der Titanic eingeleitetes Widerspruchsverfahren hinfällig, das an diesem Freitag vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts hätte stattfinden sollen. Die Kammer hatte das Titelblatt am 10. Juli ohne Verhandlung verboten.

Die Nachricht vom katholischen Rückzug platzte am Donnerstagnachmittag mitten in ein Happening vor dem Hamburger Michel. An ein Treppengeländer der evangelischen Kirche hatten sich Titanic-Redakteure angekettet. Bald darauf freute sich die Truppe über einen „historisch einmaligen Triumph“. Den feierte man schließlich „auf der Reeperbahn“, wie es am Freitag hieß. Nicht verzichten mochte die Titanic auch auf die vorher angekündigte symbolische Hexenverbrennung. Wer Opfer einer solchen werden wollte, hatte vor dem Gerichtsgebäude Gelegenheit dazu.

Dass bei einer medienrechtlichen Auseinandersetzung ein Kläger durch sein Vorgehen seine Lage verschlechtert, weil die Berichterstattung über den Fall die Aufmerksamkeit auf Artikel oder Bilder lenkt, die die Öffentlichkeit sonst weniger wahrgenommen hätte, ist nicht neu. Ebenso wenig, dass der Beklagte, wenn er geschickt agiert, von der Aufmerksamkeit profitiert. Die Erkenntnis war aber selten von so spektakulären Umständen begleitet wie bei diesem Streit.

Die Lehre aus dem eingestellten Verfahren lautet: Remmidemmi hilft – oder die Ankündigung, Remmidemmi zu veranstalten. Titanic hat, so schreibt es die Süddeutsche, 2.000 Abonnenten hinzugewonnen.

RENÉ MARTENS