: Leinenzwang und blaues Halsband
Per Gesetz wollen die Länder Hundebisse verhindern. Doch außer in Hamburg – wo im Herbst eine allgemeine Anlein-Pflicht beschlossen wird – muss ein norddeutscher Hund entweder einer bestimmten Rasse angehören oder schon einmal zugeschnappt haben, um als „gefährlich“ zu gelten. Nur dann muss er unter Auflagen gehalten werden
Besonders gute Geschäfte werden Hundetrainer in Zukunft in Hamburg machen können. Der Grund: Dort soll nach der Sommerpause ein Gesetz verabschiedet werden, das Leinenzwang für alle Hunde vorschreibt, deren Besitzer keinen „Hundeführerschein“ erworben haben. Damit – so die Idee der drei Bürgerschaftsfraktionen Grüne, SPD und CDU – sollen nur noch gut erzogene Hunde frei herumlaufen, deren Halter sie jederzeit zurückrufen können. Hamburg hätte dann die schärfste gesetzliche Regelung zur Hundehaltung.
Zwar gilt auch in den anderen norddeutschen Bundesländern in innerstädtischen Bereichen ein Leinenzwang, gesetzlich geregelt ist aber nur das Halten von als gefährlich geltenden Hunden. Diese müssen in jedem Fall an die Leine genommen werden, mit einem Mikrochip zur Wiedererkennung gekennzeichnet sein und einen Maulkorb tragen. In Ausnahmefällen können sie von letzterem befreit werden. In Schleswig-Holstein soll zusätzlich ein hellblaues Halsband vor der Beißgefahr warnen.
Doch was ist ein „gefährlicher Hund“? Während das niedersächsische Gesetz keine Rassen-Unterschiede macht, zählen in Bremen, Schleswig-Holstein und Hamburg automatisch die so genannten Kampfhunde-Rassen wie Pitbull und American Stafffordshire-Terrier sowie deren Kreuzungen dazu. Alle anderen müssen schon einmal auffällig geworden sein, bevor sie als gefährlich eingestuft werden. Kriterien sind „eine übersteigerte Kampfbereitschaft, Angriffslust und Schärfe“, so formuliert es das erst im Mai in Kraft getretene schleswig-holsteinische Gefahrhundegesetz. Der Gesetzgeber wolle damit verhindern, dass es überhaupt zu Beißereien komme, erklärt Oliver Lehmann, Experte für Gefahrhunde im Innenministerium. „Das soll präventiv funktionieren.“ Jeder, der sich von einem Hund bedroht fühle, könne sich bei den zuständigen Ordnungsbehörden melden, so Lehmann. Im Zweifelsfall müssten die dann überprüfen, ob es sich um einen bloßen Nachbarschaftsstreit handelt oder tatsächlich um ein Tier, das nur unter Auflagen gehalten werden darf.
Die Erfahrung anderer Länder zeigt allerdings, dass der Präventionsgedanke ins Leere läuft. „Wir bekommen sehr selten Hinweise ohne dass schon etwas passiert ist“, sagt Jörg Michel vom Stadtamt Hannover. In fast allen Fällen sei ein Halter wegen eines „Beißvorfalls“ angezeigt worden und nicht, weil Bello zum wiederholten Male einen Radfahrer angeknurrt hat. Michel vermutet, dass die wenigsten motiviert sind, eine Beschwerde schriftlich zu verfassen. Die sei allerdings notwendig, um nicht am laufenden Band mit Nachbarschaftsstreitigkeiten beschäftigt zu sein. „Da wird dann der Hund vorgeschoben und eigentlich geht es um etwas ganz anderes.“
Eine Beißstatistik führt die Behörde im übrigen nicht. Auffällig sei aber, so Michel, dass es selten Exemplare von Kampfhunderassen seien, die als Beißer auffällig wurden. Warum – darüber könne man nur spekulieren. „Möglicherweise werden die kaum noch gehalten.“ Der Grund: Zucht und Einfuhr sind verboten, die Haltung mit Auflagen verbunden, die eine Bereitschaft voraussetzen, mehr Geld für den Hund auszugeben als nur für Futter und Tierarzt. Tierheime beklagen regelmäßig, dass niemand die vielen ausgesetzten Pitbulls und Co. haben möchte.
Bürgeranfragen, einen Hund und dessen Halter mal genauer unter die Lupe zu nehmen, hat auch das Bremer Stadtamt nur selten. Dafür werden monatlich etwa zehn Beißvorfälle bekannt, in jedem Jahr kommen rund 90 Hunde dazu, die als gefährlich gelten. eib