piwik no script img

Die Welt als Ganzes

Die Fotografin Ute Langkafel macht Kunst, die sich mit Klimakatastrophen beschäftigt

So heiß wie ein Vulkan Foto: Ute Langkafel

Von Tigran Petrosyan

Wer die Galerie „MaiFoto“ betritt, fühlt sich in einen Vulkan versetzt. Man schaut in einen Krater hinein und sieht dabei zu, wie Lava glüht und Steine entgegengeflogen kommen. Auf einer Wand brennt ein Baum.

In ihrer Galerie in Kreuzberg 36 präsentiert Ute Langkafel vulkanische Symbolik. Alle Besucher wollen eine Antwort auf die Frage, wo und wie die Fotokünstlerin diese Aufnahmen gemacht hat. Das ist das Geheimnis der Makrofotografie: Ihre Bilder hat Langkafel im Studio eines Bildhauers in Armenien fotografiert. Dort arbeitet Albert Vardanjan – seine Spezialität ist Bronzeguss. In seinen Schmelzofen kriecht Langkafel mit ihrem Objektiv fast hinein, damit sie den Formstoff scharf ablichten kann. Sie fotografiert nicht nur das Gießverfahren, sondern auch den Prozess, wenn Bronze zu erkalten und zu erstarren beginnt. Dabei verändern sich die Farben: glühendes Rot wie Lava, schwarz wie Asche und weiß-grau wie Rauch. „Das fotografierte Material war so klein wie ein Tischtennisball“, sagt Langkafel. Danach vergrößert sie die Bilder, wodurch Dimensionen verloren gehen.

Schon seit einigen Jahren wandle sie, wie Langkafel sagt, in vulkanischen Welten. Dabei stieß sie auf interessante historische Parallelen. Etwa vor 200 Jahren gab es „ein Jahr ohne Sommer“ in Nordamerika und in Mitteleuropa. Anfang April 1815 brach der Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa aus, was eine globale Klimakatastrophe auslöste. Über 100.000 Menschen starben allein durch die Explosion.

„Ich habe den Weg zur Asche zurückverfolgt“, sagt Langkafel. „Während meiner Recherchen in Armenien habe ich erst herausgefunden, dass viele Deutsche auch wegen des damaligen Klimawandels in den Südkaukasus ausgewandert sind.“ Wegen der Asche in der Atmosphäre schien die Sonne nicht, die Ernte verdarb, es brach eine große Hungersnot aus. Was blieb den hungernden Menschen in Europa anderes übrig, als auszuwandern? Langkafel erzählt die Geschichte von der baltischen Baronin und Prophetin Juliane von Krüdener, die damals nach Württemberg gezogen war und dort eine Reformbewegung startete. Die Pietistin versuchte, Menschen davon zu überzeugen, dass sie sich auf den Weg zu dem heiligen Berg Ararat machen müssten, um ihre Seelen zu retten.

Arche Noah im Kaukasus

Dort war biblischer Überlieferung zufolge nach der Sintflut die Arche Noah gelandet. Von Krüdener war eine Beraterin des russischen Zaren und die Auswanderung von Süddeutschland in den Kaukasus hatte vor allem religiöse und politische Grunde. Doch die Hungersnot verlieh dem Wunsch auszuwandern neue Schubkraft. Auf diesen Aspekt fokussiert sich Langkafel bei den Recherchen für ihre Kunst. Gemeinsam mit dem Maler Hratschja Vardanjan machte sie sich auf in die armenischen Berge. Nicht dorthin, wo vor 200 Jahren Menschen aus Baden-Württemberg und Bayern eine bessere Zukunft suchten, sondern zu den Bergen im Süden Armeniens, an der Grenze zu Iran. „Dort hat die Landschaft besondere Kraft“, sagt die Fotografin. In ihrer Kreuzberger Galerie präsentiert sie diese Aufnahmen neben abstrakten Bildern. „Wenn man die Bergstrukturen mit den erkalteten Bronzeformen vergleicht, sieht man die gleiche Schöpfung“, sagt sie.

Welche Bilder schaffen KünstlerInnen heute in Zeiten des Klimawandels? Wie können sie dieses Phänomen visualisieren? Langkafel ist überzeugt, dass der Klimawandel keine Grenzen kenne. „Uns bringt es nicht wirklich weiter, wenn wir nur Atomkraftwerke abschaffen und den Müll in Afrika entsorgen“, sagt sie. „Wir müssen die Welt als ein Ganzes wahrnehmen.“ Militärische Grenzen und eiserne Vorhänge, sagt sie, existierten leider immer noch, wie zum Beispiel zwischen Nord- und Südkorea. Doch für den Klimawandel spielten Grenzen keine Rolle. Die Folgen von Klimakatastrophen beträfen alle Kontinente, wie beim Ausbruch des Vulkans in Indonesien. Über Grenzübergänge, aber auch über die ehemalige Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin soll ihre nächste künstlerische Installation, die im November beginnt, etwas erzählen.

„How climate is change?“ Auf einem riesigen Plakat wird unter anderem auch dieses Wortspiel in Frageform am Oranienplatz zu lesen sein. Die Installation im öffentlichen Raum soll Menschen dazu bringen, darüber nachzudenken, wie sich das Klima ändert, aber auch, welche Veränderungen das mit sich bringt. Für die Fotokünstlerin gehören klimatische und gesellschaftliche Veränderungen zusammen. Klimawandel, sagt sie, habe auch viele Potenziale. Unter anderem meint sie damit die Bewegung Fridays for Future, bei der vor allem SchülerInnen demonstrieren. Es gehe um den Kampf gegen Unmoralisches und gegen kapitalistische Interessen. Diese gingen über den Willen und die Einsicht, die Umweltzerstörung zu stoppen, hinaus. „Daher ist der Generalstreik am 20. September für mich wie ein Traum, der Wirklichkeit wird“, sagt sie. „Denn ein globales Aufstehen kann ganzheitlich Veränderungen in Gang setzen.“

Maifoto, Dresdner Str. 18

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen