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Klima-Vortrag imU-Bahn-Waggon

Vom 22. bis 29. September findet zum 11. Mal die Hamburger Klimawoche statt. Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer und Aktivisten versuchen, die Menschen zu überzeugen. Ob es dafür nicht zu spät ist, überlegt unser Autor

Von Hannes Vater

Waldsterben, Dürren, Fluten, Stürme, steigende CO2-Emissionen. Wissenschaftler und Klimawochen-Veranstalter sind sich einig: Wir fahren den Planeten gegen die Wand. Wenn die CO2-Emissionen nicht bald sinken, steht es schlecht um unseren Lebensraum. „Im Prinzip ist es schon zu spät. Viele Menschen leiden bereits ex­trem“, sagt der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif.

In Zeiten sozialer Medien, in denen Falschinformationen oft höhere Klickzahlen erreichen als die Wahrheit, ist es schwer, Klimaschutz ausreichend zu kommunizieren. Im Deutschlandtrend gaben sieben von zehn Befragten an, ihre Einstellung habe sich angesichts der „Fridays for Future“-Demos nicht oder kaum verändert.

„Wir leben in postfaktischen Zeiten“, sagt Latif, „Trump, Bolsonaro, AfD – die bestreiten, dass der Mensch Einfluss auf den Klimawandel hat.“ Über soziale Medien lässt sich das wunderbar verbreiten. Wissenschaftlich belegte, wirksame Klimakommunikation ist heute wichtiger denn je.

Die Initiatoren der Klimawoche machen die Katastrophe in der Hamburger Innenstadt greifbar. Sechs der zehn klimaschädlichsten Kohlekraftwerke Europas stehen in Deutschland. Eins der Top 30 steht in Hamburg: „Es ist ein ökologisches Armutszeugnis, dass das Kohlekraftwerk Moorburg zu den schlimmsten Kohlenstoffdioxid-Emittenten in Europa gehört“, sagt Frank Wieding, Sprecher der Klimawoche.

Bei den größtenteils kostenlosen Programmpunkten wird gezeigt, wo das Problem liegt. Und wie jeder einzelne helfen kann. Wissenschaftler präsentieren ihre Forschung, Hilfsorganisationen und Unternehmen ihre Beiträge zum Klimaschutz. Das Ganze in einem Rahmen, der einem Erlebnispark gleicht: Workshops, Bildungs- und Protest-Spaziergänge, pflanzliche Kochkurse und Kleidungsrecyclingsangebote laden zum Mitmachen ein. Am 27. September zum Beispiel wird ab 17 Uhr die U-Bahn ab Hamburg-Schlump zum „Research Ride“: In umgestalteten Hochbahnwaggons halten Wissenschaftler bei voller Fahrt Kurzvorträge.

Die unabhängige Initiative aus der Mitte der Gesellschaft will mit ihrem Wissen über die Bedrohungen des Klimawandels konkrete Handlungen innerhalb der Bevölkerung bewirken – vom Kita-Kind bis zur Stadt Hamburg sollen möglichst viele Menschen erreicht werden. Mit mehr als 200 Akteuren und fast 30.000 erwarteten Teilnehmern ist die ehrenamtlich organisierte Woche nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) das größte Klima-Kommunikationsevent in Europa.

„Das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutzthemen kann gar nicht früh genug beginnen“, sagt Wieding. Die Klimawoche könne dabei aber nur ein Impuls sein, sich langfristig mit dem Thema zu beschäftigen. „Deswegen sollte das Thema Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz ein Dauerthema an den Schulen sein.“

Was jeder einzelne konkret tun kann, hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert: möglichst wenig fliegen, Auto fahren, Fleisch essen, Müll produzieren und fossile Energie nutzen. „Die Regenwälder brennen“, sagt Latif. „Warum brennen die? Weil wir so einen großen Fleischkonsum haben.“ Für Latif ist es allerdings wichtig, dass wir keine Verzichtsdebatte führen. Stattdessen sollten wir sehen, was wir durch klimafreundliches Leben alles gewinnen können: Fahren wir mit dem Rad, leben wir gesünder, weil wir uns bewegen und bessere Luft atmen, stressfreier, weil wir nicht im Stau stehen oder verzweifelt nach Parkplätzen suchen. Essen wir weniger Fleisch, senken wir unser Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungs-Risiko, schützen Tiere und Regenwälder. Von den massiven Treibhausgas-Einsparungen ganz zu schweigen. Für jeden einzelnen ist es leicht, seine CO2-Bilanz zu verbessern und damit effektiv das Klima zu schützen.

Würde jeder mitmachen, hätten Konzerne kein Interesse mehr, fossile Rohstoffe in rauen Mengen zu vernichten, Regenwälder zu roden, Massentierhaltung und Kohlekraftwerke zu betreiben. Lobbyarbeit würde sich nicht lohnen und Politiker würden mit wehenden Fahnen ihre ambitionierten Klimaziele präsentieren, die sie wirklich erreichen könnten. Leider macht da nicht jeder mit.

Führende Klimaforscher wie Latif sehen einen Lösungsweg in der international verbindlichen Bepreisung von CO2: „Wer die Umwelt belastet, muss auch dafür zahlen.“ Wenn man ein Unternehmen hat, könne man seinen Abfall auch nicht einfach vor die Werkstore schütten. Sein CO2 sollte man dementsprechend auch nicht in der Atmosphäre entsorgen dürfen. Insbesondere die Nachlässigkeit der Exportnation Deutschland ist auf internationaler Ebene dabei unfair. Statt Klimaschutz voranzutreiben, bremsen die deutsche Indus­trie und Politik ihn aus. Die Klimaziele werden krachend verfehlt.

Fahren wir mit dem Rad, leben wir gesünder, weil wir uns bewegen

Und noch immer lassen Klimaschutz-Angebote hierzulande in den einfachsten Bereichen auf sich warten. „Man kann Pendlern nicht verdenken, dass sie Auto fahren, wenn sie mit der Bahn viel länger brauchen oder die Bahn überhaupt nicht fährt“, sagt Latif. „40 Jahre alte Sitze, kein Telefonempfang, und wenn man nach Internet fragt, wird man ausgelacht.“ Wenn die Politik sich nicht von den wirtschaftlichen Interessen der Konzerne lösen kann, sollte sie zumindest sinnvoll investieren, um der Bevölkerung Klimaschutz schmackhaft zu machen. „Wenn das Angebot besteht, machen die Leute das von allein“, sagt Latif.

Auch da setzt die Hamburger Klimawoche an. In den Hallen der Partnermesse Autarkia präsentieren Unternehmen neue nachhaltige Technologien und Innovationen aus fast allen Lebensbereichen: von der Ernährung, über Kleidung, Wohnen, Geld, Strom, Ausbildung bis hin zur Logistik und Mobilität. Was wir ausstoßen, muss wieder reinkommen. Neben erneuerbaren Energien und Aufforstung muss insbesondere in Forschung und Technologie investiert werden, die CO2 aus der Luft entfernt und als Rohstoff weiterverwendet – beispielsweise für synthetischen Kraftstoff. So wird aus Klimaschutz ein Geschäftsmodell.

Die Umweltbehörde steht im engen Austausch mit der Klimawoche. „Fast täglich kommen neue politische Vorschläge auf den Tisch“, sagt ihr Sprecher Jan Dube. Vieles davon lasse sich in konkrete Maßnahmen umsetzen. Gegenüber 1990 spart Hamburg aktuell 18,6 Prozent CO2 ein. Bis 2030 sollen es 55 Prozent werden. Senat und Behörde arbeiten gerade an einem Klimaplan.

Mojib Latif begrüßt die große Aufmerksamkeit, die die Hamburger Klimawoche für das Thema erzeugt. Andere Städte sollten nachziehen, bestenfalls international. „Am Ende muss ein Land wie Deutschland vormachen, wie es geht“, meint Latif. Nach Trumps Amerika oder Bolsonaros Brasilien dürfe man nicht schauen. Stattdessen müsse jeder tun, was er kann.

Noch sollten wir die Flinte also nicht ins vertrocknete Korn werfen. Der Atomausstieg oder die Wiedervereinigung haben gezeigt, wie schnell politische Entscheidungen getroffen werden, die kurz zuvor noch niemand hat kommen sehen. „Der Druck von unten ist wichtig“, sagt Latif. „Wenn es eine Massenbewegung wird, kann die Politik sich nicht entziehen.“

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