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Keine Lehrer auf Vorrat

Kritik an Einstellungspolitik: Niedersachsen hat mehr Lehramtsbewerber als ausgeschriebene Stellen

„Die Lehrer hätten da nicht ein Jahr herum gesessen.“

Katrin van Herck, Pressesprecherin der FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag

Von Lotta Drügemöller

Gibt es ihn, den Lehrermangel in Niedersachsen? Laut einer Anfrage der FDP-Fraktion hatten sich zum neuen Schuljahr 2.400 Lehrer beworben – doch die Kultusbehörde hatte nur 1.900 Stellen ausgeschrieben. Von der Lehrergewerkschaft GEW und der Opposition gibt es Kritik an dieser Einstellungspolitik.

Laut Anfrage konnten bisher 1.763 der 1.900 ausgeschriebenen Stellen besetzt werden. Dass bisher noch 137 Stellen offen sind, liegt laut Kultusministerium daran, dass Angebot und Nachfrage nicht immer zusammenpassten. „Konkret: Eine weitere Stelle in Hannover beseitigt nicht die Bedarfe in Uelzen“, sagte Sprecherin Jasmin Schönberger.

Das Ministerium zeigt sich trotz der Lücke recht zufrieden. Noch nie habe es so viele Lehrer an niedersächsischen Schulen gegeben, es wurden 350 Lehrer mehr eingestellt, als vergangenes Schuljahr entlassen wurden. Die Behörde rechnet für 2019/20 mit einer Unterrichtsversorgung von 99,8 Prozent.

Das klingt nahezu nach Vollversorgung – allerdings sind Krankheitstage und Sonderaufgaben wie Klassenfahrten nicht eingerechnet. Bildungsverbände halten die Bedarfsberechnung des Ministeriums deshalb für zu knapp. Der Schulleitungsverband Niedersachsen warnte Anfang August vor Unterrichtsausfall – und schlug vor, die Stundenanzahl gleich präventiv zu reduzieren. Und die GEW forderte die Einstellung von 2.500 statt 1.900 Lehrern.

Diese Rechnung halte das Kultusministerium für „nicht nachvollziehbar“, sagt Schönberger. Doch GEW-Sprecher Christian Hoffmann beharrt darauf: „Wir haben täglichen Kontakt mit Schulen und Lehrern. Wir wissen, wie groß die Not ist.“ Vor allem an Real- und Hauptschulen gebe es zu wenige Lehrer. Hier liege die Unterrichtsversorgung weit unter 99,8 Prozent.

Auch das Kultusministerium bestätigt ein „asymmetrisches Bewerberangebot“. Als Notlösung unterrichten Gymnasiallehrer an anderen Schulformen – 150 der neu eingestellten Lehrkräfte werden abgeordnet.

Die GEW hält diese Zahl für viel zu gering: „In einer Notlage wie dieser muss man die zweitbeste Lösung wählen. Das sind dann eben Gymnasiallehrer“, so Hoffmann. Die würden ab dem kommenden Schuljahr ohnehin gebraucht: 2020/21 führt Niedersachsen wieder das neunjährige Gymnasium ein. Auf einen Schlag entsteht ein zusätzlicher Jahrgang. Dass jetzt 392 Bewerber mit zweitem Staatsexamen keine Stelle bekommen hätten, „ist eine vergebene Chance“, sagt Hoffmann. „Man hätte möglichst viele auf Vorrat einstellen müssen.“

Auch die FDP sieht in der Einstellung „auf Vorrat“ keine übertriebene Belastung der Steuerzahler: „Wir brauchen mindestens 103 Prozent Unterrichtsversorgung“, sagt Katrin van Herck, Sprecherin der FDP-Fraktion. „Die hätten da nicht ein Jahr herumgesessen.“

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