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Sauber geht nicht

VertreterInnen des Textilbündnisses diskutieren in der Bremer Baumwollbörse erstaunlich offen über die Grenzen freiwilliger Bündnisse für die Rettung der Welt

Von Lotta Drügemöller

Alles soll besser werden – inwiefern dieses große Ziel des bundesweiten Textilbündnisses nach fünf Jahren erreicht wurde – oder erreicht werden kann –, darüber diskutierten am Donnerstagabend vier Bündnismitglieder in der Baumwollbörse mit Blick aufs Rathaus.

Zentraler geht’s in Bremen nicht. Trotzdem, so Direktorin Elke Hortmeyer, kenne man die Baumwollbörse kaum. „Wir sind zufällig hier und könnten auch anderswo sein.“ Kein Zufall ist dagegen, dass die Baumwollbörse Gründungsmitglied des Textilbündnisses ist: Von hier aus wird der Baumwollhandel für 35 Mitgliedsländer reguliert, Bremen ist ein Mittelpunkt der Baumwollprüfung.

Das Textilbündnis von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) entstand, als der Schreck über Unglücke in Textilfabriken zu groß wurde. 120 Mitglieder sind dabei, aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, um „gemeinsam die Bedingungen in der weltweiten Textilproduktion zu verbessern“. Das klingt nach einem hehren Ziel – und viel Konfliktstoff, wenn Interessen von NGOs und Unternehmen aufeinandertreffen.

Immerhin: Man habe Strukturen entwickelt, mit denen Unternehmen in Zukunft soziale und ökologischen Risiken überhaupt erst einschätzen können. „Bei einem Sortiment von 5.000 Produkten kann man sich wünschen, was zu ändern. Aber ohne festgelegte Prozesse geht’s nicht“, erklärt Jürgen Janssen, Leiter des Sekretariats vom Textilbündnis. Doch über Gebühr loben will am Donnerstag niemand die Erfolge des Textilbündnisses.

Dabei gibt es durchaus Zahlen zum Angeben: 2018 haben die Mitglieder rund 1.100 Einzelmaßnahmen umgesetzt und damit 80 Prozent ihrer gesetzten Ziele erreicht – von der sicheren Lagerung von Chemikalien in Zuliefererfabriken bis zum Recycling der Endprodukte. Und auch das Kollektivziel, gemeinsam den Anteil der Biobaumwolle bis 2020 auf 10 Prozent zu erhöhen, hat man umgesetzt, den Anteil von 35 Prozent nachhaltiger Baumwolle wird man wohl auch erreichen. Bis 2025 soll der kollektive Anteil der nachhaltigen Baumwolle dann auf 70 Prozent steigen, der von Biobaumwolle auf 20 Prozent – kein kleines Ziel, schließlich ist bisher nur ein Prozent des Weltbaumwolleanteils aus biologischem Anbau.

„Wir finden das ehrenwert – aber es wäre besser gewesen, wenn jedes einzelne Mitgliedsunternehmen seinen Anteil persönlich steigern müsste“, kritisiert Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene. Momentan bleibt den Mitgliedsfirmen selbst überlassen, ob sie 20, 1, oder 0,1 Prozent ihrer Baumwolle nachhaltig kaufen.

Niemand soll vergrämt oder überfordert werden – die beteiligten Unternehmen sind zusammen immerhin für 50 Prozent des deutschen Textilmarktes verantwortlich. Auch NGOs, Gewerkschaften und drei Ministerien sind Mitglied. Ferenschild hält es für „den Zweck des Bündnisses, gerade die großen Tanker dabeizubehalten“ und zumindest ein Stück weit in eine nachhaltigere Richtung zu bringen – wenn Kik ein Prozent Biobaumwolle gebrauche, mache das für den Weltmarkt mehr aus als ein kleines Unternehmen, das zu 90 Prozent biologisch produziere.

„Menschen kommen mit kognitiven Dissonanzen relativ gut klar“

Johannes Merck, Nachhaltigkeitsmanager bei der Otto Group

Doch die Breite des Bündnisses ist zugleich seine Schwäche: Die Interessen weichen weit voneinander ab. „Für Zivilbündnisse ist die Frage: Sind unsere Aktionen geeignet, die Welt zu schützen?“, erklärt Ferenschild. „Wenn wir jahrelang mit wenig Erfolg in einem Bündnis mitarbeiten, verlieren wir an Glaubwürdigkeit. Unternehmen dagegen müssen Profit erwirtschaften. Sonst gehen sie unter.“

Kein Wunder also, dass es knarzt und knirscht. Unternehmen, die das Bündnis verlassen haben, sind ausgerechnet diejenigen, die sich ökologische und faire Textilerzeugung auf die Fahnen geschrieben haben und mit den geringen Ansprüchen des Textilbündnisses nicht einverstanden waren. Primark, Aldi und Kik sind dagegen noch dabei.

Organisiert worden war die Versammlung vom Bremer Bündnis für saubere Kleidung – und von ihnen kam auch die Gretchenfrage: Kleidung etwas fairer, etwas sauberer, etwas weniger ausbeuterisch zu produzieren – schön und gut. Aber müsste nicht eigentlich der Grundgedanke, das ganze Geschäftsmodell von Fast Fashion infrage gestellt werden, wenn diese Welt gerettet werden soll?

Die Meinung dazu war in der Diskussionsrunde erstaunlich einhellig: Ja – doch praktisch sei eine Abkehr von schnellen Verwertungszyklen schwierig im Kapitalismus. Johannes Merck von der Otto Group stellte ganz infrage, dass das System in der Lage sei, sich einzuschränken. Natürlich diskutiere er in der Firma Slow Fashion, natürlich liege ihm das Thema als Nachhaltigkeitsmanager am Herzen. „Aber Menschen kommen mit kognitiven Dissonanzen relativ gut klar“, so Merck. „Wenn ich sehe, dass wir wenig wachsen, bin ich trotzdem nicht glücklich darüber.“ Feste Regeln und Gesetze statt reiner Freiwilligkeit könnten für ihn eine Möglichkeit sein, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.

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