Bildpolitik mit den Mitteln der Malerei

Aus Anlass seiner ersten Monografie zeigt Lars Theuerkauff in der Galerie Tammen eine sprechende Auswahl seiner Arbeiten

Lars Theuerkauff, Adidas 9, 2012 Foto: Galerie Tammen

Von Brigitte Werneburg

Aus der Distanz strahlen die Bilder und die Farben leuchten intensiv. Der Eindruck in der Entfernung von einem dichten, schweren Farbauftrag aber trügt, tatsächlich sind die Farben ganz lässig auf die Leinwand getupft.

Das darf man wörtlich nehmen. Lars Theuerkauff malt nicht mit dem Pinsel, sondern mit den Fingern, den Händen. Dazu kommt manchmal die Spachtel oder eine kleine Zahnbürste, mit der sich die Farbe auf die Leinwand sprühen lässt. Letztere ist roh, wenn sie der Künstler bemalt.

Leicht vorzustellen also, dass seine Malerei extrem lebendig wirkt, flirrend, weil die Farbe eben so locker auf der Leinwand sitzt, dem Spiel des Lichts hingegeben. Wenn einem aber nicht nur die Malerei, sondern auch das Gemälde so lebhaft entgegentritt, dann liegt das an der Art, wie der Maler für seine Bilder die fotografische Vorlage einsetzt.

Wie Degas nutzt er das dynamische Moment der Fotografie, ihre ausschnitthaften und augenblicklichen Aspekte. Anders als Degas aber sucht Theuerkauff seine Vorlagen nicht im Raum der Kunst – auch wenn ein Gemälde „Der Tanz 4“ (2018) heißt. Theuerkauff findet sie vielmehr im Bereich des Nachrichtenjournalismus. Und der Tanz, von dem in seinem Gemälde die Rede ist, ist der von Hass, Gewalt und Tod.

„Der Tanz 4“ ziert auch das Cover seiner ersten Monogrfie, die gerade im Kehrer Verlag (96 Seiten, 77 Farbabbildungen, 39,90 Euro) erschienen ist.

Aus diesem Anlass zeigt die Galerie Tammen eine Woche lang eine Auswahl seiner Arbeiten unter dem Titel „Warning Graphic Content. Bilder gegen die Bilderflut“. Wie durch die Nummer 4 im Bildtitel deutlich, entwickelt der Künstler seine Themen in Serien. Auch das weist auf seine Affinität zu den modernen Massenmedien hin. Wie Filmstills deuten seine Bilder auf eine größere Geschichte, ein größeres Drama hin, erzählen aber nicht davon.

Diese Erzählung müssen wir uns selbst zusammenreimen. Etwa bei der Serie „Adidas“, wo das Bild 22 womöglich einen Unfall zeigt. Denn da liegt ein Körper auf dem Boden, seine Schuhe zeigen die berühmten drei Streifen und im Hintergrund ist die Metallfelge eines Wagens zu sehen. Gleichzeitig ruft das Bild Mediengeschichte auf. So produzierte der berühmte Modefotograf Guy Bourdin für Charles Jourdan mit dem Bild eines Autos, einer Tatortzeichnung und einem verloren gegangenen Schuh eine gültige Werbeikone.

Theuerkauff kann durchaus auf Bourdin reflektiert haben. Der 1968 in Lüneburg geborene Künstler verfügt über ein großes Wissen hinsichtlich Film, Fotografie und die Bildpolitik in der Werbung und im Netz. Sein an der Münchener Akademie begonnenes Studium schloss er an der UdK in der Filmklasse bei Heinz Emigholz ab.

Selbstverständlich kennt Lars Theuerkauff auch Momente gelingenden Lebens, von Intimität und Geborgenheit. Mit dem Vater in „Adidas 9“ (2012), der sein Kind hält, malt Theuerkauff eine universelle Geste der Zuwendung, die so stark ist, dass er sie ins rein Malerische driften lassen kann, als nicht nur bildwerte, sondern tatsächlich bildgestaltende Geste. Als Feier des Humanen.

Bis 2. September, Galerie Tammen, Hedemannstr. 4, Di.–Sa., 12–18 Uhr