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„Paul“ soll es richten

Das Hamburger Projekt „Netzwerk Gesund Aktiv“ stattet Senior*innen mit Tablets aus. Die Geräte sollen ihnen durch den Alltag helfen – und ihnen so ein längeres selbstständiges Leben ermöglichen. Die Techniker-Krankenkasse und die Pflegeeinrichtung Albertinenhaus koordinieren das Projekt, Geld kommt aber auch vom Bund. Der demografische Wandel und der Mangel an Pflegekräften sorgen für anhaltenden Bedarf an solchen Angeboten

Anlaufstelle für „die letzten ohne Internet- erfahrung“: das wöchentliche „Café Paul“ in Hamburg-Schnelsen Foto: Netzwerk Gesund Aktiv

Von Inga Kemper

Ein Alltag ohne Smartphone – für viele Menschen ist das nicht mehr denkbar. Und längst nicht mehr nur für junge Hüpfer, äh, Hipster: Tablets sind auch ein Thema für die Generation Ü70. Oder sollen eines werden: Die Idee kommt aus der Politik, aber auch von den Krankenkassen – beide sind interessiert an kostengünstigen Pflegekonzepten für eine alternde Gesellschaft. Möglichst lange unabhängig bleiben – dank großem Bildschirm und leichter Bedienung?

Rund 900 Senior*innen aus dem Hamburger Bezirk Eimsbüttel probieren es aus: Sie nehmen derzeit an der Testphase des Projekts „Netzwerk Gesund Aktiv“ teil; 400 von ihnen bekamen ein eigenes Tablet gestellt, darauf ist ein spezielles Betriebssystem namens „Paul“ installiert – der Name leitet sich ab von der Aufgabe: „persönlicher Assistent für unterstützendes Leben“. Von der Videosprechstunde beim Arzt bis zum digitalen Trinktagebuch begleitet „Paul“ die Menschen durch den Alltag. Auch für sie relevante Dienstleistungen, etwa „Essen auf Rädern“ sollen per Touchpad kontaktiert werden.

Für Unterhaltung und Vernetzung sorgt ein digitales schwarzes Brett: Dort finden die User*innen etwa Lesungen, Fitnesskurse oder Spielabende in ihrer Nähe.

8,9 Millionen werden dafür in die Hand genommen, vom Bund und den gesetzlichen Krankenkassen. Laut dem Statistischem Bundesamt wird schon in wenigen Jahren eine*r von drei Deutschen älter als 60 Jahre sein. Weil zudem ja die Lebenserwartung steigt, müssen Konzepte her, die unseren Lebensabend regeln. Schon jetzt fehlen aber Pflegekräfte, laut der Gewerkschaft Ver.di sind es bundesweit 30.000. Insbesondere Menschen, die noch allein leben können, soll ein Projekt wie „Paul“ erreichen.

Damit sich digitale Einsteiger*innen mit der Technik zurechtfinden, wird das Menu indiviuell eingerichtet. Zentrale Anlaufstelle für Fragen ist das Albertinenhaus in Hamburg-Schnelsen: In dieser „Einrichtung für Altersmedizin“ findet auch das wöchentliche „Café Paul“ statt. Es bietet den Senior*innen die Möglichkeit sich auszutauschen – und Hilfestellung im Umgang mit den Tablets zu bekommen. „Einige kommen mit sehr viel Vorwissen, andere hatten vorher keinerlei Erfahrungen mit Computern“, sagt Gesundheitsökonomin Kirsten Sommer, die das Projekt begleitet und das „Café Paul“ mit aufgebaut hat. Die jetzt Mitmachen seien „die letzte Generation ohne Internet­erfahrung“, sagt sie: „In zehn Jahren werden selbst die über 80-Jährigen Vorwissen mitbringen.“

Rose Laarmann ist 81 und „Paul“-Teilnehmerin. Sie kommt ins Café, um Kontakte zu knüpfen: Sie lebt allein, die Familie weit entfernt. Noch im Berufsleben hat sie selbst Erfahrung mit Computern gesammelt und braucht daher keine Hilfe. Laarmann bloggt sogar selbst. „Auf den Bildschirm gucken alleine reicht nicht“, sagt sie. „Man muss immer noch rausgehen.“ Ihr Lieblingstool auf dem Tablet? Das Trinktagebuch: „Ich tippe einfach auf die Menge, die ich getrunken habe und das Tablet rechnet es zusammen.“ So habe sie einen besseren Überblick.

Mittlerweile sei das Café zu einem richtigen Treffpunkt geworden: „Beim letzten Workshop waren 50 Menschen da“, sagt Laarmann. Dann sitzen die Senior*innen an Tischen, auf denen Kaffeetassen stehen und halten die Tablets in der Hand. Laarmann sagt, sie könnte auch ohne Tablet noch alleine leben: im Kopf fit und auch sonst noch gesund – bis auf ihre müden Beine. Aber sie denkt über die Zukunft nach: „Ich sehe mich nach betreutem Wohnen um.“

Aber auch für Menschen bis Pflegestufe 3 soll das Tablet als Begleiter dienen. Der automatischen Wohnungsnotruf etwa kann beigebracht bekommen, den Johanniter-Rettungsdienst zu verständigen, sollte sich die Nutzer*in nicht mehr bewegen. Dafür müssen allerdings Bewegungsmelder installiert werden, in jedem Zimmer. Diese Sensoren „lernen“ dann den Tagesablauf der Bewohner*– und können bei Auffälligkeiten Alarm schlagen.

Für Verwandte gibt es auch die Möglichkeit, per Smartphone zu checken, ob die ältere Person etwa schon aufgestanden ist oder genug trinkt. Dafür müssen die Teilnehmer*innen selbstverständlich ihr Einverständnis geben. In der Praxis passiert solche Kontrolle aus der Ferne bisher noch kaum. „Es geht vor allem darum, das Tablet als Kommunikationsmittel zu nutzen, um länger fit zu bleiben“, sagt Sommer.

Ob ein Tablet gegen die Einsamkeit im Alter hilft, wird sich nächstes Jahr zeigen, wenn Bielefelder Gesundheits-wissenschaftler*innen das Projekt ausgewertet haben. Für Norbert Proske von Ver.di kann die Digitalisierung die Pflege zwar erleichtern, doch ersetzen könne sie eine Fachkraft eben nicht.

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