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Archiv-Artikel

Vergebliche Integrationsmühe

RECHTSSTAAT Victor aus Uganda verdient sein Geld mithilfe des Arbeitsministeriums in der Altenpflege. Doch eine Ausbildung darf er nicht beginnen, weil sein Asylgesuch abgelehnt werden könnte

„Ich kann nicht nur rumsitzen, essen und spazieren gehen“

VICTOR, FLÜCHTLING

AUGSBURG taz | Eigentlich hat Victor alles richtig gemacht. Vor drei Jahren kam der 26-jährige Flüchtling aus Uganda als Asylbewerber nach Deutschland. Er hat er sich einen Job gesucht und finanziert sein Leben selbst. Nun hätte er die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen – in der Altenpflege, wo dringend Personal gesucht wird. Doch das darf er nicht. Die Ausländerbehörde stellt sich quer.

„Ich kann nicht nur rumsitzen, essen, schlafen und spazieren gehen“, sagt Victor, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte – aus Angst, es könnte sein Asylverfahren negativ beeinflussen. „Ich will arbeiten.“ An fünf Tagen die Woche steht der junge Mann mit der sportlichen Figur und dem rasierten Schädel noch vor der Dämmerung auf und steigt von seinem Zimmer unterm Dach bis zur Backstube im Keller hinunter. Von vier bis sechs Uhr morgens hilft er dort, Brezen und Brötchen zu backen.

Anschließend fährt er weiter in ein Altenpflegeheim der Arbeiterwohlfahrt am Stadtrand von Augsburg. Dort hat er über das Augsburger Integrationsprojekt „Tür an Tür“ ein Jahrespraktikum begonnen. Die Ausbildung in „Kultursensibler Altenpflege“, die er zuvor absolvierte – ein Programm für Asylsuchende, die länger als ein Jahr in Deutschland sind und damit über eine Arbeitserlaubnis für den sogenannten nachrangigen Arbeitsmarkt verfügen – wird vom Bundesarbeitsministerium und von der EU subventioniert. Seither arbeitet er für eine geringe Bezahlung im Schichtdienst meist auf der Intensivstation, betreut Menschen, die komatös an der Schwelle zwischen Leben und Tod verharren.

„Das ist sehr harte Arbeit für sehr wenig Geld“, sagt Thomas Wilhelm von „Tür an Tür“. „Das muss man schon wollen.“ Und Peter Luibl, der Verwaltungsleiter der Altenpflegeeinrichtung „Awonia“, weiß nur Gutes über seinen Mitarbeiter zu berichten: „Victor hat das Herz am rechten Fleck und gute Nerven, kann sich selbst organisieren und geht sehr liebevoll mit den Menschen um“, sagt er. „Genau solche Leute brauchen wir.“ Deshalb würde er Victor gern ab September als Auszubildenden weiterqualifizieren. Fachkräfte mit fertiger dreijähriger Ausbildung zum Altenpfleger seien derzeit auf dem Markt fast unmöglich zu bekommen, wie er sagt. „Jetzt hätten wir endlich mal einen geeigneten Kandidaten, bei dem alles stimmt“, sagt Luibl und schüttelt den Kopf. „Es ist schon bitter, wenn man erfährt, dass es nicht geht.“

„Während eines laufendes Asylverfahrens kann keine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung erteilt werden“, steht im negativen Bescheid der Ausländerbehörde. Die Logik: Würde Victors Asylverfahren, das nun bald drei Jahre andauert, abgelehnt, müsste er eventuell das Land verlassen. Weil er dann die Ausbildung abbrechen müsste, darf er sie gar nicht erst beginnen. „Sein Aufenthaltsstatus würde durch ein Ausbildungsverhältnis verstetigt“, erklärt Wilhelm, „und das ist nicht gewollt.“ Allerdings ist nicht klar, ob Victor nicht auch trotz einer Ablehnung in Deutschland bleiben würde. Es gibt abgelehnte Ugander, die wegen der kritischen Lage im Land nicht abgeschoben werden.

Luibl, Victors Chef, hat dafür wenig Verständnis. Immer stehe in Deutschland die Wirtschaft im Vordergrund. Nur bei Asylfragen sei das plötzlich anders. Wilhelm hält die Entscheidung für absurd. Victors Integrationsmaßname wird vom Arbeitsministerium finanziert. Hat sie Erfolg, verhindert das Asylrecht, dass die Gesellschaft davon profitiert. Hinzu kommt: „Diese Entscheidung wäre nicht überall in Deutschland so ausgefallen“, sagt Wilhelm. „Die Ausländerbehörden haben einen Ermessensspielraum.“

Victor selbst ist ob der schlechten Nachricht resigniert. „Ich war sehr zuversichtlich, dass ich die Ausbildung beginnen darf“, sagt der junge Mann. Von Anfang an habe er sich darum bemüht, zu lernen und sich zu integrieren, wie er sagt. Sein Deutsch ist dank mehrerer Kurse und viel Eigeninitiative gut. Während seines vierwöchigen Urlaubs wollte er eigentlich den Führerschein machen. Nun weiß er nicht weiter. Wird nun auch noch sein Asylverfahren abgelehnt, dürfte er vielleicht in Deutschland bleiben, aber gar nicht mehr arbeiten. Er wäre wieder auf staatliche Unterstützung angewiesen. All die Anstrengungen der vergangenen drei Jahre wären vergeblich. MARLENE HALSER