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„Auch eine Form der Exilkultur“

Am Montag beginnt das Funun-Festival für syrische Kunst und Kultur: Schwerpunkt seines Programms sind Dinge, die hier entstanden sind, erklärt Organisatorin Jasmina Heritani

Interview Teresa Wolny

taz: Frau Heritani, gibt es in Deutschland zu wenig Aufmerksamkeit für syrische Kultur?

Jasmina Heritani: Grundsätzlich würde ich sagen, dass die syrische Kultur hier mittlerweile einen Platz gefunden hat. Die arabischsprachige Zeitung Abwab, die in Deutschland herausgegeben wird, hat vor ungefähr einem Jahr geschrieben, dass heute in Berlin mehr syrische kulturelle Veranstaltungen stattfinden als in Damaskus und eigentlich Berlin die Hauptstadt der syrischen Kultur ist. Das liegt natürlich auch daran, dass sehr viele Syrerinnen und Syrer hier sind, unsere Zielgruppe mit dem Festival ist aber auch immer die Mehrheitsgesellschaft.

Bei syrischer Kultur denken viele erst an die zerstörte Stadt Palmyra. Darum geht es aber vermutlich nicht …?

Uns geht es um die ganze syrische Kultur, die sehr vielfältig ist. Wenn man mich fragt, was denn eigentlich syrische Kultur ist, sage ich immer dass es eine wunderbare Mischung aus arabischer, kurdischer, turkmenischer, aramäischer, assyrischer, armenischer Kultur ist. Dazu gehören natürlich auch die Monumente von Palmyra, die Altertümer Syriens. Aber genauso ist die aktuelle sich neu entwickelnde Kultur ein Teil davon. Im vierten Jahr des Festivals haben wir beschlossen, dass wir Dinge auf die Bühne bringen wollen, die hier entstanden sind, eine neue kulturelle Mischung zeigen. Ein Beispiel dafür ist das Bagalla-Ensemble, wo sich um einen syrischer Musiker Absolventen der Hochschule für Künste in Bremen gesammelt haben. Dazu kommt als Solistin die türkische Sängerin Nihan Devicioglu. Das ist eine neue kulturelle Zusammenarbeit von Künstlern*innen unterschiedlicher Herkunft. Vielleicht auch eine Form der Exilkultur.

Was ist das Besondere?

In der musikalischen Richtung etwa gibt es sehr traditionelle Lieder in einer neuen Setzung. Lena Chamamyan etwa singt viele traditionelle Lieder, aber in einem neuen Format. In der Literatur ist es natürlich auch so, dass eine gewisse Zensur, die wir im Land hatten, hier nicht existiert und sich Literatur damit auch öffnen kann. Bei der darstellenden Kunst sehe ich oft in den Bildern, dass bestimmte Erfahrungen der letzten Jahre dort von den Künstlerinnen und Künstlern verarbeitet werden. Das ist meine persönliche Wahrnehmung der Entwicklung der syrischen Kultur im Exil.

Gibt es vergleichbare Festivals wie das Bremer Funun?

Es gibt andere Formate, aber in der Form, wie wir das aufgebaut haben, jedes Jahr und in diesem Umfang, habe ich das in Deutschland anderswo noch nicht gesehen. Es ist natürlich eine Herausforderung, sowohl in der Kapazität als auch finanziell. Wir sind komplett ehrenamtlich, haben aber Kooperationspartner bremenweit.

Wie wird Syrien während des Krieges im Festival thematisiert?

Bei jeder Festivaleröffnung ist es für mich als Vorsitzende des Seku, also des Syrischen Exil- Kulturvereins, wichtig, an unser Volk im Land zu erinnern, das unter dem Krieg leidet. Vor allem die Kinder Syriens sind die Leidtragenden. Drei Millionen syrische Kinder wurden im Krieg geboren, diese Kinder kennen nichts außer Krieg, Vertreibung und Flucht. Trotzdem möchte ich aber auch, dass die Menschen hier wissen, welches Land die Syrerinnen und Syrer zurückgelassen haben und dass sie dort gerne gelebt haben. Ich selbst habe syrische Wurzeln und für mich ist es ein wunderschönes Land.

Jasmina Heritani, 37, ist Vorsitzende des Syrischen Exil-Kulturvereins, Gründerin sowie Organisatorin des Funun-Festivals und sitzt für die SPD in der Bremer Bürgerschaft.

Wie gelingt der Spagat zwischen der Vermittlung syrischer Kultur und Orientalismus-Stereotypen?

Das, was wir zeigen ist authentisch. Wir haben Firas Al­shater, der ein Youtube-Star ist, das würde überhaupt nicht in dieses orientalische Bild passen. Es gibt Ausstellungen, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, wie etwa „Refugee village for freedom“, wo es um eine sich selbst versorgende Kommune in Griechenland geht. Ein länger in Griechenland lebender Syrer, der schon seit 30 Jahren dort lebt, hat viele Menschen dazu motiviert, mit ihm gemeinsam etwas aufzubauen. Das ist eine Ausstellung, die etwas aus der Lebensrealität der syrischen Menschen in Europa zeigt.

Welche Veranstaltung liegt Ihnen besonders am Herzen?

In Gröpelingen haben wir neben dem Syrian-Street-Food-Festival den Vortrag von Lutz Jäkel „Erinnerungen an ein Syrien vor dem Krieg“, der mir sehr am Herzen liegt, weil er Syrien als Land, aber auch die Menschen dort sehr gut vorstellt. Mir ist es wichtig, dass wir auch in Gröpelingen immer Veranstaltungen haben, weil es dort eine große arabischsprachige Community gibt, die wir gerne beim Festival dabeihaben möchten. Dieses Jahr bin ich natürlich auch wahnsinnig gespannt auf das Konzert von Lena Chamanyan am 21. August, weil sie zum ersten Mal hier ist und wir wirklich stolz darauf sind, sie als syrischen Superstar nach Bremen zu holen.

Eröffnung: Montag, 18 Uhr, Obere und Untere Rathaushalle, Infos und Programm auf www.funun-festival.de

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