: Wieso der Ölpreis uns nicht schockt
Manchmal kriecht sie in alten Heizungskellern herum. „Mach ich sogar gern“, sagt Kerstin Kallmann. Aber bestimmt nicht in dieser Bluse. Die strahlt weiß, wie es sich gehört. Im Gesicht nicht zu viel Schminke, in den blonden Haaren nicht zu wenig Styling. Die Visitenkarte liegt vorschriftsmäßig auf dem Tisch. Denn schließlich ist auch Energieberatung ein Geschäft, mit dem man Geld verdienen kann. 127.000 Euro Gewinn machte die Berliner Energieagentur im vergangenen Jahr. Kerstin Kallmann ist eine von 35 Mitarbeitern in dem alten Fabrikgebäude, an der Spree, in dem früher einmal Narva-Glühlampen für die DDR-Bürger produziert wurden.
Die vierzig Jahre alte Berlinerin hat es da eher mit modernen Energiesparlampen, von denen einige auf ihrem Schreibtisch liegen. Ganz kleine sind dabei, auch eine in einer schlicht-eleganten Leuchte. Die nimmt sie mit zu den Kunden, weil die meisten ja immer noch nur die klobigen Mini-Neonröhren kennen. Doch die Überzeugungsarbeit wird leichter, sagt sie. Bislang haben Kerstin Kallmanns Kunden vor allem nach günstigeren Versorgern gefragt, um die Energiekosten zu senken. „Wie man einsparen kann, hat die meisten nicht interessiert. Das ändert sich gerade.“ Denn der Ölpreis steigt und die Gaspreise ziehen nach. Auch Kohle wird wegen der weltweiten Nachfrage immer teurer, so dass die Strompreise insgesamt steigen.
Kallmanns Kundschaft sind Unternehmen, Krankenhäuser oder große Wohnungsbaugesellschaften. Privatleute wenden sich eher an die Verbraucherberatung oder freiberufliche Berater. Kallmann geht hingegen zum Beispiel durch Hotels, checkt das Lüftungssystem, die Beleuchtung, die Fenster und alles, was den Strom- und Wärmeverbrauch beeinflusst. Eben auch den Heizungskeller.
Danach macht sie ein Konzept, wie die Energiekosten gesenkt werden können. Wer das umsetzt, spart zwischen 15 und 30 Prozent, manchmal sogar noch mehr. So wie die Justizvollzugsanstalt in Tegel, bei der die Berliner Energieagentur vor allem über eine neue Beleuchtung 33 Prozent Einsparpotenzial ermittelt hat.
Für die notwendigen Umbauten und neuen Anlagen ist dann nicht mehr Kerstin Kallmann zuständig. Aber sie vermittelt bei Bedarf eine Firma, die sich um die Finanzierung, die Planung, den Bau und die Wartung der neuen Technik kümmert. Finanziert wird das Ganze meist über die Einsparungen. Das nennt sich „Energiepartnerschaft“ – auf diese Weise senkten in Berlin in den vergangenen zehn Jahren rund 1.300 Gebäude ihren Energieverbrauch. Allein die öffentliche Hand spart so 2,4 Millionen Euro pro Jahr.
Seit acht Jahren arbeitet Kerstin Kallmann in der Energieagentur. Eigentlich wollte sie mal Windräder bauen, weshalb sie ein Ingenieursstudium in Energie- und Verfahrenstechnik absolvierte. Vorbehalte gegen eine Frau in der von Männern dominierten Energiebranche hat sie eigentlich nur in ihrem Studium erlebt. In vielen Beratungsagenturen seien ohnehin die Frauen in der Überzahl, sagt sie. „Vielleicht liegt es daran, dass es bei uns auf interdisziplinäres Denken ankommt.“ STEPHAN KOSCH