heute in bremen: „Noch mehr Vehemenz als früher“
Nikolai Goldschmidt,37, ist Geschäftsführer des Bremer Jugendrings, dem Zusammenschluss aller Bremer Jugendverbände.
Interview Florian Fabozzi
taz: Herr Goldschmidt, wie lassen sich Jugendliche zu politischem Engagement ermutigen?
Nikolai Goldschmidt: Wir beim Bremer Jugendring versuchen, die Jugendlichen über einen persönlichen Zugang für Politik zu begeistern. Wir stellen Fragen wie: „Was ist mir im Alltag wichtig?“ oder „Welche aktuellen Diskussionen in der Politik betreffen mich?“ In unserem Projekten versuchen wir außerdem die Barriere zu Politiker*innen zu brechen, indem wir auch mal handelnde Personen zu unseren Veranstaltungen einladen.
Was haben Sie da konkret gemacht?
So entstand etwa ein Rollenspiel, bei dem Jugendliche und Politiker*innen in die Rolle des jeweils anderen geschlüpft sind, sich die hierarchischen Verhältnisse gewandelt haben.
Was besorgt die Jugendlichen in Bremen?
Themen wie Klimawandel und Umwelt sind bei Jugendlichen natürlich omnipräsent. Außerdem stellen viele eine Verrohung der Gesellschaft fest, im Umgang miteinander wie auch in der Sprache. Es beunruhigt viele, dass heute über Dinge diskutiert wird, die früher selbstverständlich waren. Zum Beispiel über die Rettung von Menschen in Seenot.
Sie sprachen die Umwelt an. Wie umweltbewusst leben Bremer Jugendliche heute schon?
Sie sind für das Thema vollends sensibilisiert und wissen, dass man, um die Umwelt zu verbessern, bei den eigenen Gewohnheiten anfangen muss. Doch gerade Jugendlichen aus prekären Stadtteilen gelingt es noch nicht immer, umweltbewusst zu leben.
Was sind konkrete Wünsche der Jugend?
Neben Veränderungen im Konsumverhalten wünschen sich Jugendliche einen Wandel in der Mobilität. Dass man sich häufiger aufs Rad setzt, statt ins Auto zu steigen. Auch könne man mal auf dem Flug ins Ausland verzichten und dafür einen schönen Urlaub daheim verbringen.
Ist das politische Engagement Jugendlicher in Bremen größer geworden?
Ja, allerdings engagieren sich Jugendliche heute anders. Parteibeitritte nehmen weiter ab, junge Leute schließen sich lieber Bewegungen an oder engagieren sich auf sozialen Netzwerken. Die Parteiverdrossenheit ist darauf zurückzuführen, dass sich Jugendliche von keiner Partei mehr vertreten fühlen. Des Weiteren kritisieren sie, dass Prozesse auf politischer Ebene nur sehr langsam vonstatten gehen.
Worin unterscheidet sich das Engagement der Jugend von dem der Älteren?
Internationaler Tag der Jugend: Er wurde 1999 von den Vereinten Nationen in einer Generalversammlung ins Leben gerufen.
Die heutige Informationslage erlaubt es Jugendlichen, Vorgänge konkreter zu hinterfragen, noch unbequemere Fragen zu stellen, gerade im Hinblick auf soziale Ungleichheit und Demokratie. In der Kritik der heutigen Jugendlichen liegt noch mehr Vehemenz als früher, die Politiker haben es nicht mehr so leicht, die Stimme der Jugend zu ignorieren.
Sollte das Mindestalter für das aktive Wahlrecht gesenkt werden?
Man sollte sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene schon ab 14 Jahren wählen dürfen. Auch diese Jugendlichen sollten das Recht haben, ihre eigenen Lebensbedingungen mitzugestalten.
Was sind die Forderungen der Jugendlichen des Bremer Jugendrings an die neue Koalition in Bremen?
Forderungen an die neue Koalition gibt es noch keine. Im Vorfeld der Wahlen haben wir im Rahmen eines Projektes einen Forderungskatalog entwickelt. Darin enthalten ist unter anderem die Forderung nach höheren Investitionen in schulische und außerschulische Bildung.
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