: Ein Streich wird ernst: Kiel
Kiel tut sich schwer mit seinen Schwimmbädern. Ist das Wasser warm genug, bleibt die Ostsee
Von Esther Geißlinger
Möwen kreischen, Segelboote schaukeln an ihren Stegen, während am gegenüberliegenden Ufer eine Skandinavienfähre ablegt. Der größte Teil der Kieler Förde wird als Hafen genutzt, für den Badebetrieb ist der Ostseefjord gesperrt. Doch weil sich die Landeshauptstadt seit Jahren schwer tut, ausreichend und bezahlbare Schwimmbäder bereit zu stellen, waren in den vergangenen Wochen häufig „WildschwimmerInnen“ in der Förde zu sehen. Nun hat die Stadt einen neuen Steg eröffnet und erlaubt in einem abgesperrten Bereich kostenloses Baden.
Das Kieler Freibadproblem ist damit jedoch nicht gelöst. „Katzheide“ heißt das Freibad, es liegt in Kiel-Gaarden, dem Stadtteil auf der Ostseite der Förde. Früher lebten dort Arbeiterfamilien, heute beziehen viele BewohnerInnen Sozialleistungen, viele haben ausländische Wurzeln. Für sie war Katzheide mit seinen großen Wiesen auch ein Treff- und sozialer Mittelpunkt, so beschreibt es Ulrich Hühn vom Verein „Katzheide Ja!“, der seit Jahren um den Erhalt des Bades kämpft: „In Gaarden leben Menschen, die wenig Geld haben und die im Freibad Urlaub machen.“
Als das Bad wegen technischer Probleme und marodem Material geschlossen werden sollte, strengte der Verein einen Bürgerentscheid an und gewann. Katzheide muss saniert werden – aber bisher passiert nichts. Im Juni beantragte der Ortsbeirat Gaarden, das Bad zu öffnen, solange noch nicht gebaut wird: Immerhin seien die Becken mit Wasser gefüllt, so die Begründung. Sozial- und Sportdezernent Gerwin Stöcken bügelte den Antrag in der Ratsversammlung ab: Aktuell liefe die Ausschreibung, und Badebetrieb sei nicht möglich. Die Folie im Becken sei „tot, und wenn sie beschädigt wird, ist sie toter als tot, dann läuft das Wasser aus“. Er erinnerte an den Beschluss, das Freibad erst 2020 wieder zu öffnen.
Doch selbst, wenn dieser Zeitplan gehalten wird, schrumpft Katzheide: „Die Liegewiese wird ausgegliedert, der Sprungturm fällt weg und die Wasserfläche wird durch den Verlust des Nichtschwimmerbeckens drastisch verkleinert“, kritisiert Linken-Stadtrat Stefan Rudau. „Ich denke nicht, dass Katzheide nach dieser Beschneidung die gleiche Funktion im Stadtteil erfüllen kann wie früher.“
Die Stadt hat im Herbst 2018 ein neues Bad an der Hörn, dem Ende der Förde, eröffnet. Der rund 26 Millionen Euro teure Bau hat 50-Meter-Bahnen für Wettkämpfe, eine große Saunalandschaft, Becken für Vereins- und Schulschwimmen und eine Außenanlage. Anfangs kämpfte das Hörnbad mit Problemen: Es eröffnete verspätet und dann nur teilweise, weil Arbeiten nicht beendet waren. Es gab Kritik, dass nicht alle Bereiche barrierefrei zu erreichen seien. Dann stellte sich heraus, das Algen in den Becken wuchsen.
Die technischen Schwierigkeiten sind zwar gelöst, aber für den Linken Rudau bleibt der Preis ein Riesenproblem: Knapp sieben Euro zahlen Erwachsene für 2,5 Stunden im „Freizeittarif“, Kinder die Hälfte. Zwar gibt es billigere „Sporttarife“, die aber Angebote wie die Rutsche ausschließen und ebenfalls begrenzt sind. In Katzheide dürfen Badegäste für den halben Preis den ganzen Tag bleiben. „Ausgerechnet in diesem Sommer, in dem der Oberbürgermeister in die heiße Wahlkampfphase für seine zweite Amtszeit startet, gibt es im Kieler Zentrum praktisch keine sozialverträglichen Schwimm- und Bademöglichkeiten mehr“, so der Ratsherr.
Bleibt eben das Meer. Schwimmen „in reinem Ostseewasser“, so die städtische Werbung, geht am Seebad Düsternbrook sowie dem neuen Steg nahe der Reventloubrücke. Zwischen beiden liegt am Geomar-Meeresinstitut ein Boot, auf dem die Erwärmung der Ostsee untersucht wird: Die Tage, an denen das Wasser warm genug zum Schwimmen ist, dürften künftig noch häufiger vorkommen.
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