: Recycling nur auf dem Papier
Die niedersächsischen Ministerien wollen den Anteil an Recyclingpapier erhöhen. Noch sind sie weit entfernt von den selbst gesteckten Zielen – auch im Umweltministerium
Von André Zuschlag
Da wurden wohl die eigenen Ansprüche vergessen: Der Anteil von Recyclingpapier in den niedersächsischen Landesministerien ist noch immer meilenweit von den selbst gesteckten Zielen entfernt. Und auch insgesamt war der Papierverbrauch zwischen 2016 und 2018 höher als in den Vorjahren. Das ergab nun Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag.
„Der katastrophal niedrige Anteil von Recyclingpapier am Gesamtpapierverbrauch zeigt einmal mehr: Die Landesregierung nimmt Klima- und Umweltschutz nicht ernst“, sagt Imke Byl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. Im Sozialministerium betrug der Anteil von Recyclingpapier, kein Witz, genau null Prozent. Das Wirtschafts- und das Innenministerium stehen ebenso schlecht da. Sie kommen zusammen auf nicht einmal drei Prozent.
Verbrauch steigt
Anders sieht es beim Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten aus: Dort wurde im ersten Quartal dieses Jahres ausschließlich wiederverwertetes Papier genutzt. Aber auch das Umweltministerium erreichte das Ziel voriges Jahr nicht, der Anteil betrug nur rund 77 Prozent.
Dort fehlt es nun auch am Verständnis darüber, wie es zu diesen mangelhaften Ergebnissen kommt. „Wir finden das gar nicht gut und unser Staatssekretär wird das beim nächsten Treffen mit den anderen Ministerien ansprechen“, sagt Sprecherin Justina Lethen. Offenbar würden schlicht zu viele noch glauben, dass Recyclingpapier qualitativ schlechter sei. „Da müssen wir noch mal verstärkt aufklären, denn die Zeiten, in denen Recyclingpapier teuer und qualitativ schlechter war, sind nun wirklich lange vorbei“, sagt Lethen.
Dabei einigten sich 2013 die Staatssekretär*innen der damaligen rot-grünen Landesregierung noch darauf, den Anteil von Recyclingpapier in den Ministerien auf mindestens 90 Prozent zu erhöhen. Voriges Jahr war das Verhältnis von Normalpapier und Wiederverwerteten aber beinahe genau umgekehrt. 88 Prozent stammten noch immer aus herkömmlicher Herstellung.
Zudem kritisiert Byl den insgesamt hohen Papierverbrauch. Über 395 Millionen Blatt Papier wurden voriges Jahr verbraucht. Drei Jahre zuvor waren es schon einmal acht Millionen Blatt weniger. „Die Papiermassen, die die Ministerien verbrauchen, sind enorm. Hier gibt es sicher viele Reduktionsmöglichkeiten, die sofort in Angriff genommen werden können und damit direkt positiv für Umwelt und Klima wirken“, sagt Byl.
Es geht auch anders
Bundesweit liegt der Anteil von Druck- und Büropapier, das wiederverwendet ist, bei 31 Prozent. Recyclingpapier spart gegenüber Frischfaserpapier bis zu 60 Prozent der Energie, bis zu 70 Prozent Wasser sowie CO2-Emissionen durch kurze Lieferwege und den geringeren Abfallsummen. Zudem werden deutlich weniger Bäume gefällt – eine Papierfaser kann bis zu siebenmal wiederverwendet werden.
Dass es tatsächlich anders geht, zeigen die Ministerien in Schleswig-Holstein. Dort wurden 92 Prozent des in den Ministerien benutzten Papiers schon einmal verwendet. Die Umstellung fand auch aufgrund finanzieller Aspekte statt: Nach eigenen Angaben spart die Landesregierung dadurch jährlich rund 250.000 Euro.
Zu einer ähnlichen Einsparsumme kommt auch die niedersächsische Landesregierung. Allerdings: Würde man sich künftig für recyceltes Papier mit einem höheren Weißegrad entscheiden, würden je nach Weißegrad zwischen 36.000 und 500.000 Euro pro Jahr mehr anfallen.
Andererseits geht die Landesregierung mit Hinweis auf die kommende Einführung von elektronischen Akten und deren Bearbeitung ohnehin von einem Papierrückgang aus.
Das Sozialministerium, Schlusslicht in der Landesregierung, verweist in seiner Stellungnahme darauf, dass „im Bereich der Sanitärhygiene umweltfreundliches Papier“ verwendet werde. Auch das verwendete Teeküchenpapier bestehe zu 100 Prozent aus Recyclingpapier. Beim Kopierpapier wolle man nun aber wirklich mit der Umstellung wirklich beginnen.
Zudem können sich die Ministerien auch bei ihren Kolleg*innen in der Verwaltung der Region Hannover abgucken, wie das mit der stofflichen Nachhaltigkeit geht. Dort werden zu 99,6 Prozent wiederverwertetes Papier benutzt, womit man bundesweit auf Platz 5 der nachhaltigsten Landkreise ist.
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