piwik no script img

Limited Edition: Kontinuierliches Chaos

Die taz stellt in der Serie „Limited Edition“ Bremens Zine-Szene vor. In Teil 2 ist das Trust an der Reihe: Bremens dienstältestes Zine. Während die verbliebene Konkurrenz sich bis zur Belanglosigkeit professionalisiert hat, gilt beim Trust noch immer Do-it-yourself

VonJan-Paul Koopmann

Es ist gar nicht so leicht, das (nicht „die“) Trust zu verorten. Ein Heft für „Punk, Hardcore, Underground“, steht vorne drauf. Aber was heißt das schon? Heute lässt sich ja schon darüber streiten, ob es diese Szene, von der das Trust seit inzwischen 196 Ausgaben erzählt, überhaupt noch gibt.

Man kann schon ins Grübeln kommen, wenn Popkultur ihre spontanen und wilden Do-it-yourself-Ausbrüche von vor 40 Jahren entweder schon wieder oder aber immer noch durchzieht.

Fürs Trust spricht sehr, dass es darauf auch keine abschließende Antwort hat – dafür aber einen offenbar unerschöpflichen Vorrat an Ideen, Energie und eben auch Ausbrüchen aus dem eigenen Saft.

Das war von Anfang an so. Als Dolf Hermannstädter und ein paar Mitstreiter*innen das Fanzine 1986 in Augsburg gegründet haben, war der Punk ja lange schon untot. Und das Heft hat damals durchaus angeeckt, weil es auch das eigene Umfeld kritisch betrachtet hat und sich dabei offensiv schlauer gab als das Gros der zum Saufschlager verkommenen Szene.

Ähnlich wie das über die Chaostage berühmt gewordene Zap (gegründet übrigens vom ehemaligen Trust-Redakteur Moses Arndt) war das Fanzine zwar Teil der Szene, aber eben auch Schauplatz ihrer Selbstreflexion.

Seit rund 20 Jahren wird das Trust in Bremen produziert. Dolf Hermannstädter ist bis heute Herausgeber, Kopf und Vollschreiber des Fanzines geblieben. Oder muss man schon Magazin sagen? Zumindest formal ist es eine gute Frage, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Trust gibt’s immerhin auch im Bahnhofsbuchhandel, es erscheint regelmäßig alle zwei Monate und hat zwar ein wüstes Layout – aber eben auch eins, das genau so aussehen soll.

Inhaltlich ist die Sache aber klar: das Trust versucht gar nicht erst, ein Breitenpublikum irgendwo abzuholen, sondern wirft hemmungslos mit ausschließlicher Szenerelevanz um sich. Themen sind andere Zines, Verlage und Bands. In wenigen rotzigen Sätzen werden allein in der aktuellen Ausgabe rund 150 Platten besprochen. Von den meisten ist nirgendwo sonst die Rede.

Schon zum letzten runden Geburtstag galt das Trust unwidersprochen als „zweitältestes Underground Print-Fanzine für Punk und Hardcore weltweit“. Damit, dass Maximumrocknroll, das amerikanische Trust-Vorbild (und langer Wegbegleiter) gerade nach 37 Jahren das Handtuch geworfen hat und ins Internet umgezogen ist, könnte das Trust nun an der Spitze stehen. Wir werden das nicht totrecherchieren, wie man sagt, und gratulieren schon mal vorab, bevor im Frühjahr 2020 die 200. Ausgabe und Hermannstädters neues Buch (auch öffentlich) gefeiert werden.

Schreiben tut Hermannstädter inzwischen übrigens vor allem über Politik und Gesellschaft, über Musik nur noch selten. Er hat mal überschlagen, irgendwas zwischen 13.000 und 15.000 Tonträger abgehört zu haben und hatte dann irgendwann keine rechte Lust mehr aufs Platten-Rezensieren. Auf das Trust hingegen schon – und das ist sehr erfreulich.

www.trust-zine.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen