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Neue Gewalt – und neue Indizien

Hockenheims Bürgermeister wurde angegriffen. Es ist nur der jüngste in einer ganzen Reihe solcher Fälle

Mehr als 1.200 politisch motivierte Straftaten gegen Amtsträger im letzten Jahr

Der scheidende Oberbürgermeister von Hockenheim (Baden-Württemberg) ist von einem Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden. Das teilte das Polizeipräsidium Rheinpfalz am Dienstag mit. Der Angreifer habe am Montagabend am Haus des 67-jährigen Dieter Gummer in Böhl-Iggelheim (Rheinland-Pfalz) geklingelt und um ein Gespräch gebeten. Der SPD-Politiker kam laut Polizei nach unten in den Hof seines privaten Anwesens, als der Unbekannte durch das offenstehende Tor auf ihn zuging und ihm unvermittelt mit der Faust ins Gesicht schlug.

Gummer sei gestürzt und mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen, hieß es weiter. Er erlitt laut Polizei schwere Verletzungen und wird in einem Krankenhaus behandelt. Der etwa 40 Jahre alte Tatverdächtige verließ nach der Attacke zu Fuß den Tatort. Er wird als dunkelhäutig und schlank beschrieben. Laut Polizei sprach er Deutsch mit leichtem Akzent. Völlig unklar sei die Motivlage. Ermittelt werde „in alle Richtungen“, sagte eine Sprecherin der Beamten in Ludwigshafen am Mittwoch. „Wir können keinen Sachverhalt ausschließen.“ Ziel sei es, „schnell konkrete Ergebnisse zu erzielen“. Gummer geht Ende August in den Ruhestand. Er ist seit 2004 Oberbürgermeister von Hockenheim.

In einem anderen Fall von Gewalt gegen einen Politiker erhärtet sich der Verdacht gegen den Beschuldigten weiter: Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben Kriminaltechniker die Tatwaffe nun zweifelsfrei identifiziert. Der 45-jährige Stephan E. hatte die Tat zunächst gestanden, später aber sein Geständnis widerrufen. Das neue Gutachten belastet ihn schwer. Lübcke war am 2. Juni vor seinem Haus erschossen worden. Dem Bericht nach wurde der tödliche Schuss mit einer Waffe des Kalibers .38 Special abgegeben, die E. mit anderen Waffen auf dem Gelände seines Arbeitgebers vergraben hatte. Bei der Tat geht der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen an sich gezogen hat, von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Am Mittwoch wollte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nicht kommentieren.

Nach Angaben des deutschen Städtetags gab es im vergangenen Jahr mehr als 1.200 politisch motivierte Straftaten gegen Amtsträger. Auch die Kölner Oberbürgermeisterin Hen­riet­te Reker, der Bürgermeister des sauerländischen Altena und weitere deutsche Politiker hatten Morddrohungen erhalten und wurden später Opfer von Gewalt. In den vergangenen Wochen hatten solche Angriffe, Drohungen und Beleidigungen gegen Kommunalpolitiker in Deutschland erneut für eine starke Debatte gesorgt. Unter anderem waren Forderungen nach härterer Strafverfolgung laut geworden. (dpa, afp)

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